Retro-Special zu Pokémon Stadium: ​Als die Taschenmonster dreidimensional wurden

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Special Johannes Gehrling - Redaktionsleiter
Retro-Special zu Pokémon Stadium: ​Als die Taschenmonster dreidimensional wurden
Quelle: Nintendo

Ein 18. Geburtstag will ausgiebig gefeiert werden, das ist ja weithin üblich. Da dieses Jubel-Jubiläum in Kürze bei Pokémon Stadium für das altehrwürdige Nintendo 64 ansteht, blicken wir zurück auf das Spiel, das die Taschenmonster Anfang der 2000er-Jahre erstmals in die dritte Dimension holte.

Der gigantische weltweite Hype um Pokémon Go im Sommer 2016 war nicht das erste große Massenphänomen mit den japanischen Taschenmonstern. Bereits Ende der 1990er- bis hinein in die frühen 2000er-Jahre erlebten die Pokémon einen riesigen Hype zuvor ungeahnten Ausmaßes. Auf die ersten Editionen Pokémon Rot, Blau und Gelb folgten schnell Kinofilme, eine Fernsehserie, das Sammelkartenspiel, Spin-off-Titel, Kuscheltiere, Shirts, Caps, Figuren, Fernsehwerbung, riesige Plakat- und Heftanzeigen, Comics, Bücher, limitierte Konsolen und noch vieles mehr. Kurzum: Die virtuellen Taschenmonster eroberten die Welt der späten 1990er- und frühen 2000er-Jahre im Sturm und brannten sich einer ganzen Generation junger Menschen und Kinder für alle Zeit ins Gedächtnis, sodass sie heute völlig selbstverständlich zur modernen Kultur gehören. Pokémon Stadium für das N64 ist ein Spiel aus der Blütezeit dieses ersten großen Hypes und erweckte die Taschenmonster erstmals in wunderbarer N64-Grafik zu dreidimensionalem Leben, nachdem sie die Spieler zuvor nur als Ansammlung kleiner grauer Pixel auf dem Game Boy zu Gesicht bekamen. Zudem war es das erste Pokémon-Spiel auf dem Nintendo 64.

Vom Game Boy auf die Glotze

Die Kämpfe in Pokémon Stadium beeindruckten seinerzeit vor allem aufgrund der dreidimensionalen Pokémon sowie der effektvollen Angriffe. Quelle: Youtube-Kanal "RubinNischara": youtube.com/user/RubinNischara Die Kämpfe in Pokémon Stadium beeindruckten seinerzeit vor allem aufgrund der dreidimensionalen Pokémon sowie der effektvollen Angriffe. Um das Spielprinzip von Pokémon Stadium und seinen Erfolg zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, was das Kampfspiel seinerzeit bedeutete. Zahlreiche (oftmals junge) Spieler steckten damals unzählige Spielstunden in das Sammeln seltener und starker Pokémon sowie den Aufbau und das Training des perfekten Teams. Mit dem Nintendo Transfer Pak, einem kleinen, Game-Boy-Spiele-fassenden Adapter für den N64-Controller, wurde es mit Pokémon Stadium auf einmal möglich, dieses Team, also das Ergebnis vieler, vieler Stunden Arbeit, vom kleinen Game Boy auf den großen Fernsehbildschirm zu holen und zu neuem Leben zu erwecken - den für damalige Verhältnisse tollen 3D-Modellen sei Dank. Darauf fokussiert sich auch das Gameplay, bei dem die Kämpfe voll im Mittelpunkt stehen. Rollenspiel- und Story-Elemente sucht ihr bei Pokémon Stadium vergebens. Stattdessen zieht ihr (im Gegensatz zu den Hauptspielen) mit Teams aus drei statt sechs Taschenmonstern in den virtuellen Kampf, dabei greift ihr entweder auf Leih-Pokémon oder durch Dateitransfer via Transfer Pak auf eure eigenen Viecher zurück. Mehr Spaß macht's mit den eigenen Pokémon. Die Kampfregeln entsprechen denen aus Pokémon Rot, Blau und Gelb und werden (für die damalige Zeit eher unüblich) sogar von einem deutschen Sprecher begleitet; der kann allerdings nur auf ein sehr begrenztes Arsenal an Sprüchen zurückgreifen, weshalb er schnell nervig wird. Sämtliche Attacken sind in Pokémon Stadium hübsch und aufwendig animiert und beeindruckend inszeniert.

Die Qual der (Modi-)Wahl

Bei den Kämpfen könnt ihr angreifen, das Pokémon wechseln oder versuchen, die Flucht zu ergreifen. Auf Items müsst ihr in Pokémon Stadium aber verzichten. Quelle: Youtube-Kanal "RubinNischara": youtube.com/user/RubinNischara Bei den Kämpfen könnt ihr angreifen, das Pokémon wechseln oder versuchen, die Flucht zu ergreifen. Auf Items müsst ihr in Pokémon Stadium aber verzichten. Weil aber selbst die hübschesten Pokémon-Kämpfe ohne konkretes Ziel bald langweilig werden, bietet Pokémon Stadium verschiedene Modi, insgesamt sieben an der Zahl. Im "Stadion" bestreitet ihr Einzelspieler-Kämpfe gegen vom Computer gesteuerte Gegner. In der "Arenaleiter-Burg" absolviert ihr einen Kampf-Parcours, auf dem ihr nacheinander gegen die aus Pokémon Rot, Blau und Gelb bekannten Arenaleiter antreten müsst. Schließt ihr diese beiden Modi erfolgreich ab, werden eure Erfolge nicht nur im dritten Modus namens "Siegespalast", einer Art Ruhmeshalle, festgehalten, sondern ihr schaltet auch einen Kampf gegen Mewtu frei, quasi der Endgegner des Spiels. Bestreitet ihr diesen siegreich, schaltet ihr "Runde 2" frei, einen besonders schwierigen Spielmodus. Im "Schaukampf" stürzt ihr euch maximal zu viert mit euren Freunden in Mehrspieler-Kämpfe, auch hier kommen wahlweise eigene Pokémon oder geliehene Taschenmonster zum Einsatz. Im "Pokémon-Labor" organisiert ihr eure Viecher, Items und Boxen aus den Game-Boy-Spielen, außerdem könnt ihr Pokémon tauschen und den Pokédex studieren. Im "GB-Turm" spielt ihr die Pokémon-Hauptspiele vom Game Boy auf dem Fernseher; habt ihr den Dodu- und Dodri-Modus freigeschaltet, dürft ihr das zudem in doppelter beziehungsweise dreifacher Geschwindigkeit tun. Im "Kids-Club" schließlich messt ihr euch maximal zu viert mit euren Freunden in neun verschiedenen Minispielen. Beim "Rattfratz-Rennen" steuert ihr beispielsweise ein namensgebendes Rattfratz und müsst als Erstes die Ziellinie erreichen, bei "Der große Schaufler" müsst ihr in der Rolle eines Sandan am schnellsten ein Loch bis zum Grundwasser graben und so weiter. Die Minispiele sind eine nette Abwechslung, werden aber recht schnell monoton, da sie sehr simpel sind und ihre Auswahl begrenzt ist; längerfristigen Spaß bieten da schon die Mehrspieler-Kämpfe im "Schaukampf".

Ein großes Versions-Chaos

Die übersichtliche Oberwelt in Pokémon Stadium ist in ihrem Aufbau von typischen Freizeitparks inspiriert. Von hier aus erreicht ihr alle sieben Modi. Typisch Pokémon: Eure aktuelle Auswahl wird durch drei kreisende Magnetilo dargestellt. Quelle: Youtube-Kanal "RubinNischara": youtube.com/user/RubinNischara Die übersichtliche Oberwelt in Pokémon Stadium ist in ihrem Aufbau von typischen Freizeitparks inspiriert. Von hier aus erreicht ihr alle sieben Modi. Typisch Pokémon: Eure aktuelle Auswahl wird durch drei kreisende Magnetilo dargestellt. Pokémon Stadium erschien hierzulande im April 2000. In Japan ist das Spiel als Pokémon Stadium 2 bekannt. Im Rest der Welt versteht man unter Pokémon Stadium 2 wiederum den Nachfolger des ersten Teils, der die Taschenmonster aus Pokémon Silber, Gold und Kristall mit einbezog. Woher kommt dieses Chaos? Das erste Pokémon Stadium, das seinerzeit 1998 nur in Japan erschien, sollte ursprünglich ein Spiel für das Nintendo 64DD werden, die grandios gefloppte und niemals außerhalb Japans erschienene Disk-Erweiterung des Nintendo 64. Letztendlich kam das Spiel aber doch als normaler N64-Titel auf den Markt, weil die Veröffentlichung des 64DD zu lange auf sich warten ließ. Im Gegensatz zu dem Pokémon Stadium, das im Rest der Welt 1999/2000 erschien, sind in dieser Version gerade einmal 42 der 151 Pokémon der ersten Generation spielbar. Der Rest ist zwar im Pokédex inklusive 3D-Modellen einsehbar, kann aber in Kämpfen nicht eingesetzt werden. Immerhin können auch bei dieser Version eigene Taschenmonster via Transfer Pak ins Spiel übertragen werden. Der Grund für die Unvollständigkeit dieses Titels liegt im Umschwung vom 64DD zum normalen N64 während der Entwicklung. Ursprünglich sollten Spieler mithilfe des Transfer Pak Pokémon Stadium in der 64DD-Version durch die Hauptspiele anpassen und erweitern können und umgekehrt. Damit wäre es dann nach und nach auch möglich gewesen, alle Taschenmonster der ersten Generation in Pokémon Stadium zu spielen. Nach der Abkehr vom 64DD war das Spiel also nicht fertig, aufgrund des aufkommenden Pokémon-Hypes und der damals schon großen und relevanten kompetitiven Spielerszene rund um Pokémon in Japan entschied sich Nintendo dazu, das Spiel in dieser unfertigen Variante dennoch zu veröffentlichen, jedoch ausschließlich im Heimatland. Der dort als Pokémon Stadium 2 erschienene Nachfolger entspricht dem bei uns als Pokémon Stadium bekannten ersten Teil und beinhaltet sämtliche Viecher aus Pokémon Rot, Blau und Gelb.

Ein großer Erfolg

Im Minispiel namens „Schlurps Sushi-Karussell“, das ihr im „Kids-Club“ mit maximal drei weiteren Mitspielern bestreiten könnt, müsst ihr in begrenzter Zeit so viel Sushi wie möglich essen. Aber Vorsicht: Manches davon ist giftig! Quelle: Youtube-Kanal "RubinNischara": youtube.com/user/RubinNischara Im Minispiel namens „Schlurps Sushi-Karussell“, das ihr im „Kids-Club“ mit maximal drei weiteren Mitspielern bestreiten könnt, müsst ihr in begrenzter Zeit so viel Sushi wie möglich essen. Aber Vorsicht: Manches davon ist giftig! In der N-ZONE bekam Pokémon Stadium in der Ausgabe 04/2000 (langjährige, ältere Leser haben das Heft vielleicht sogar noch zu Hause) eine grandiose 95er-Wertung verpasst. Global betrachtet war das Feedback zum ersten dreidimensionalen Taschenmonster-Spiel nicht ganz so gut, aber überwiegend positiv. Kritik ernteten die Audioausgabe - dabei besonders der Sprecher mit seiner sehr überschaubaren Anzahl verschiedener Sätze - sowie das im Vergleich zu den Hauptspielen auf dem Game Boy zu simple Spielprinzip. Lob gab's damals für die seinerzeit richtig tollen 3D-Modelle der Taschenmonster und die Möglichkeit, Pokémon endlich auch auf dem großen Bildschirm zu erleben. Wobei "großer Bildschirm" in Anbetracht heutiger Fernseher natürlich im damaligen zeitlichen Kontext verstanden werden muss. Immerhin: Größer als das Display des Game Boy waren die Röhrenfernseher und frühen LCD- beziehungsweise Plasma-Geräte damals allemal. Viele Kritiker betitelten Pokémon Stadium als ein unumgängliches Must-have für Pokémon-Fans. Hinsichtlich der Verkaufszahlen konnte die Firma Nintendo, die das Spiel nicht nur vertrieb, sondern auch entwickelte, sehr zufrieden sein. Weltweit gingen knapp 4 Millionen Kopien über die Ladentheke, davon allein über 1 Million im ersten Monat nur in Nordamerika. Pokémon Stadium wurde 2000 zum bestverkauften Videospiel des Jahres in den USA, mit rund 3,16 Millionen Verkäufen nur in diesem Markt. Deutlich weniger Kopien wurden in Japan und Europa verkauft.

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Nachfolger

Im „Pokémon-Labor“ (angelehnt an das Labor von Professor Eich aus Pokémon Rot, Blau und Gelb) könnt ihr eure Pokémon, Items, Boxen und mehr organisieren, die sich auf dem Game-Boy-Modul befinden. Außerdem gibt’s den Pokédex zu bestaunen. Quelle: Youtube-Kanal "RubinNischara": youtube.com/user/RubinNischara Im „Pokémon-Labor“ (angelehnt an das Labor von Professor Eich aus Pokémon Rot, Blau und Gelb) könnt ihr eure Pokémon, Items, Boxen und mehr organisieren, die sich auf dem Game-Boy-Modul befinden. Außerdem gibt’s den Pokédex zu bestaunen. Bereits im Oktober 2001 und damit zum Ende der Lebenszeit des N64 und nur kurz vor Release des Gamecube erschien weltweit Pokémon Stadium 2. Der Nachfolger ist kompatibel mit der ersten Generation der Taschenmonster sowie den Spielen Pokémon Rot, Blau und Gelb, zudem mit der zweiten Generation und den Spielen Pokémon Gold, Silber und Kristall. Damit stehen in Pokémon Stadium 2 insgesamt 251 Pokémon zur Verfügung, außerdem wurden viele der neuen Funktionen und Gameplay-Mechaniken der zweiten Generation der Hauptspiele übernommen. Bis heute ist kein weiterer Serienableger erschienen, obwohl sich viele Fans seit Jahren einen neuen Teil wünschen. Nach Aussagen der Verantwortlichen liegt das daran, dass Pokémon in hübscher 3D-Grafik heutzutage nichts Besonderes mehr seien. Da genau dieses Dreidimensionale der Taschenmonster das ausschlaggebende und zentrale Element von Pokémon Stadium war, fehlt es an einem guten Hauptargument für einen neuen Ableger. So bleibt Pokémon Stadium bis heute fest verbunden mit einer Zeit, in der die Pokémon erstmals die dritte Dimension eroberten; zu einer Zeit, als 3D-Grafik noch etwas Neues und Aufregendes war. Danach wurde das Spielprinzip mit dem Fortschreiten der Technik recht schnell obsolet. Nichtsdestotrotz hat Pokémon Stadium einen festen Platz in den Herzen und Regalen der Pokémon-Fans bis heute sicher.

    • Kommentare (2)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von ChampPaule NPC
        "ChampPaule" sollte es eigentlich heißen :D
      • Von ChampPaule NPC
        "ChampPaule" sollte es eigentlich heißen :D
      • Von ChampPaule NPC
        In meinen Augen eines der besten Spiele überhaupt. Für mich war es Anlass eine Nintendo 64 zum zweiten Mal zu kaufen. Der Kommentator, die Möglichkeit mit Pokemon des Gameboys gegen die Arenaleiter anzutreten und die Minispiele machen dieses Spiel einmalig. Deswegen habe ich mir das Ziel gesetzt unter dem Namen ChampPaule meine Spielerfahrungen bei Pokemon Stadium auf Youtube zu teilen. Vielleicht kann sich der ein oder andere dafür begeistern :D
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