EU mischt sich bei Gaming ein: Was heißt das für Lootboxen & Co?

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Special Antonia Dreßler - Redakteurin
EU mischt sich bei Gaming ein: Was heißt das für Lootboxen & Co?
Quelle: PC Games

Videospiele sind aus vieler Leben nicht mehr wegzudenken. Auch wirtschaftlich lässt sich das Ausmaß der Industrie nicht mehr leugnen. Darum stellt das EU-Parlament einen Initiativbericht vor, der einige Regulierungen anstoßen soll, die direkten Einfluss auf die Spieler haben.

Die Hälfte aller EU-Bürger zwischen sechs und vierundsechzig Jahren spielt Videospiele und zusätzlich stellt die Videospielindustrie über 90.000 Arbeitsstellen in Europa. Der Umsatz durch und in Videospielen steigt jährlich und ein Abflachen ist nicht in Sicht. Es ist also wenig verwunderlich, dass die Politik ein Auge auf den wirtschaftlich wachsenden Zweig wirft, ihn zu düngen gedenkt und vielleicht ein paar wild wuchernde Seitenäste kürzen möchte.

Dass das nicht schon längst passiert ist, hängt nicht nur mit den langsam mahlenden Mühlen der bürokratisch-demokratischen Maschinerie zusammen. Videospiele gelten immer noch als Nische für Nerds, auch wenn die Zahlen ein deutlich anderes Bild zeichnen. Wegschauen und den seltsamen Trend aussitzen möchte man aber nicht mehr. Deswegen beschließt das Europaparlament voraussichtlich am 18. Januar 2023 einen Initiativbericht zur Regulierung von Videospielen, mit Schwerpunkt auf Verbraucherschutz.

Ein Initiativbericht hat erst einmal keine gesetzliche Verbindlichkeit. Das liegt daran, dass das EU-Parlament kein Gesetzesinitiativrecht besitzt, welches auf EU-Ebene komplett bei der EU-Kommission liegt. Allerdings kann das Parlament durch einen Initiativbericht die Kommission dazu zwingen, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Die Kommission ist dann in der Regel dazu angehalten, auf dieser Grundlage einen gesetzlichen Entwurf zu erstellen, oder bei Ablehnung eine Begründung vorzulegen. Der Bericht selbst liegt seit letztem Jahr Februar beim Ausschuss für den Binnenmarkt und Verbraucherschutz, wo sich 38 Abgeordnete des EU-Parlaments Gedanken dazu gemacht haben, wie Regulierungen im Sinne des Verbraucherschutzes aussehen könnten.

Natürlich geht es dabei viel um den Schutz von Kindern, aber auch der allgemeine Datenschutz soll verbessert werden. Und besonders hervorzuheben ist die geforderte Regulierung der Monetarisierung in Videospielen.

Weil der Bericht in etwa genauso spannend zu lesen ist, wie man sich das von einem politischen Ausschuss erwartet, fassen wir für euch die wichtigsten Infos hier zusammen.

Schutz von Kindern

Gerade für den Schutz von Kindern fordert der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz eine Reihe an Regulierungen, die die Rechte von Minderjährigen aufrechterhalten sollen. Gleichzeitig soll es aber auch mehr Handhabe geben für Eltern.

Unter Punkt neun des Initiativberichts ist angemerkt, dass manche Spiele auf Inhalten aufbauen, die von Spielern und eben auch Kindern erstellt wurden. Das ist kein neues Phänomen, rückt aber gerade mit Spielen wie Roblox in den Vordergrund und etabliert die Frage nach Ausbeutung von Minderjährigen.

Weiterhin findet sich unter Punkt elf der Wunsch nach Wegen für Eltern, durch die sie mehr Handhabe gewinnen in Bezug auf das Spiel ihrer Kinder. Dabei geht es zum einen um die Einhaltung von Alterseinschränkungen, zum anderen aber auch um maximale Spielzeiten, sowohl offline als auch online, und um Einschränkungen, wenn es um Bezahlsysteme geht. Ein solches System soll aber nicht von der EU entwickelt werden. Stattdessen richtet das EU-Parlament diesen Absatz an die Industrie, bei der es die Verantwortung sieht. Im politischen Kontext soll dafür mehr Aufklärung über bereits bestehende Systeme stattfinden.

Einschneidend für die deutsche Gesetzgebung könnte Punkt 41 des Berichts werden, unter dem das Parlament fordert, PEGI zum einheitlichen System der europäischen Alterseinstufung zu machen. Das System wird bereits in 38 Ländern der Europäischen Union genutzt, Deutschland verlässt sich hingegen immer noch auf die USK. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle stuft Spiele mit einem anderen Schwerpunkt ein als die Gremien der Pan European Game Information. So führen in Deutschland gewalttätige Inhalte schneller zu einer höheren Einstufung, hier sieht man sexuelle Inhalte aber dafür als weniger jugendgefährdend.

Weiterhin könnte für den Jugendschutz in Spielen interessant sein, dass der Ausschuss im Anhang seines Berichts eine Art EU-weites Identifikationssystem im Internet fordert, bei dem die Daten geschützt bleiben und das Minderjährigen den Zugang zu nicht angemessenen Inhalte verwehrt.

Datenschutz für jedermann

Das EU-Parlament fasst mehrere Punkte ins Auge, an denen es einen Bedarf für einen höheren Datenschutz sieht. So findet sich unter Punkt 22 die Aufforderung nach mehr Transparenz. Das zum einen bei der Chancenverteilung beim Kauf von Lootboxen und zum anderen bei sämtlichen eingesetzten Algorithmen. Diese Infos sollen genau wiedergeben, warum welche Daten gesammelt werden und in verständlicher Sprache formuliert sein.

Unter Punkt 38 werden schließlich die Länder aufgefordert, sehr genau auf Datenschutz zu achten. Dabei sollen insbesondere Verhaltensdaten geschützt werden, die sich besonders dafür eignen, die Spieler an einen Titel zu binden. Solche Mechaniken tragen das Risiko in sich, Spieler süchtig zu machen. Ein Beispiel, bei dem solche Mechanismen vorkommen, sind Matchmaking-Systeme wie Engagement Optimized Matchmaking.

Monetäre Angebote unter der Lupe

Bereits 2020 veröffentlichte die EU eine Studie zu Lootboxen und ihrer Wirkung auf Konsumenten. Dabei wurde eigentlich nur herausgefunden, dass Lootboxen nicht wie Glücksspiel betrachtet werden sollten. Stattdessen empfahl die Studie, dass diese Mechaniken aus der Verbraucherschutzsicht heraus betrachtet werden sollten. Somit könnten feinere Abstimmungen vorgenommen als ein Verbot für Minderjährige oder sogar ein komplettes Verbot. Damit will man ein zu starkes Eingreifen in den Markt verhindern. Für weitere Regulierungen fordert das EU-Parlament die Kommission auf, weitere Analysen anzustellen und eine einheitliche Regelung für Europa zu finden.

Punkt 15 und 16 stützen sich beide auf bereits geltendes EU-Recht, nach dem der Gebrauch von sogenannten Dark Patterns verboten ist und auch in Videospielen nicht zur Anwendung kommen darf. Dark Patterns beschreiben eine Art von Werbeführung, die Menschen dazu veranlasst, Produkte zu kaufen, für die sie eigentlich kein Geld ausgegeben hätten. Dies kann sehr aggressive, aber auch manipulative und irreführende Werbung sein.

Weiterhin ist es bereits EU-Recht, dass die Preise für virtuelle Gegenstände innerhalb von Ingame-Shops auch in Euro angezeigt werden müssen, damit Spieler eine genaue Vorstellung davon haben, wie viel sie gerade bei einer Mikrotransaktion ausgeben. Unter Punkt 19 des Initiativberichts fordert das Parlament wieder dazu auf, dass hier die Rechtsprechung bei Nichteinhaltung besser greifen muss.

Noch kein Gesetz ist hingegen nach Punkt 21 der Schutz von Konsumenten bei Abo-Modellen. Hier fordert das Parlament eine Regelung, die erzwingt, dass Abo-Modelle niemals automatisch verlängert werden, außer, es wird vom Verbraucher explizit so gewünscht. Sprich ein Opt-in-Verfahren.

Punkt 23 verweist darauf, dass Anbieter sich an die europäischen Rückgaberichtlinien zu halten haben und dass auch Downloads immer umtauschbar sind, wenn ein Problem vorliegt. Hier werden klarere Informationen für die Verbraucher gefordert.

Der wohl markanteste Punkt in der Liste ist Punkt 25. Hierbei will die EU direkt in das Spielerverhalten eingreifen. Sämtliches Handeln von virtuellen Gegenständen gegen Echtgeld soll verboten werden. Wie weit dieses Verbot gehen soll, ist nicht geklärt. Vermutlich wird es aber eine staatliche Einschränkung von Webseiten geben, auf denen Spieler Gegenstände weiterverkaufen, die sie in Videospielen erbeutet haben. Damit soll vor allem ein Riegel vor Goldfarming geschoben und ausbeutendes und menschenrechtsverletzendes Verhalten unterbinden werden.

Wirtschaftsaufschwung für Videospiele in Europa

Neben zig Regulierungen fordert die EU eine Strategie, die den wirtschaftlichen Standort Europa für Spieleentwickler attraktiver macht. Dazu bringt sie auch eine erste konkrete Idee ein, die irgendwie nett ist, aber wohl mehr Symbolcharakter trägt. Ein jährlicher Industrie-Award soll im Rahmen einer Preisverleihung jeweils einen europäischen Entwickler auszeichnen. Das wird selbst bei einem saftigen Preisgeld kein Studio dazu bringen, seinen Sitz zu wechseln, aber wie auch beim Rest der Forderungen liegt hier noch sehr viel im Dunkeln.

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Man merkt, dass sich der Ausschuss für den Binnenmarkt und Verbraucherschutz Gedanken gemacht und offensichtlich die richtigen Berater konsultiert hat, die tatsächlich Ahnung von Videospielen haben. Doch was daraus entsteht, wird sich erst noch zeigen müssen. Und das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Stattdessen sollte ab dem Moment, in dem über den Initiativbericht abgestimmt wird, mit einer Periode von mindestens einem Jahr gerechnet werden, bis die Kommission tatsächlich einen rechtlich bindenden Gesetzesentwurf in der Hand hält, über den dann abgestimmt werden kann.

    • Kommentare (48)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Basileukum Hobby-Spieler/in
        Zitat von groe69
        Bei uns in Belgien kann man keine Lootboxen wie aus Fifa Ultimate, von Wargaming oder anderen Spielen kaufen. Das finde ich aus Sicht des Jugendschutzes zwar ok, dass aber erwachsene Spieler dies auch nicht dürfen, wieder als Bevormundung. Hier müssen die Spieler sich einen Account in einem anderen EU-Land anlegen und per VPN spielen, sollten sie die Lootboxen kaufen möchten.
        Kann man ja alles machen. Es gibt ja auch Kasinos oder Glückspielhallen. Dann machst das halt digital. Vergibst Lizenzen an ein paar Firmen, die eröffnen in ihrem Land dann Portale, wie es da bei Lotto etc. auch gibt. Kannst dich halt nur mit Adresse, Perso und Kreditkarte anmelden, bist dann halt offensichtlich 18 oder eventuell macht man das auch ab 21, wie immer man will.

        Vor dem Zocken wirfst halt den "Glückspiellauncher" an, in Verbindung mit diesem gibt es halt eine Oberflächenerweiterung in dem Videospiel deiner Wahl. Da kannst dann Kohle versenken wie willst.

        Diejenigen, welche abgezockt werden wollen, sind damit bedient. Genauso wie diejenigen, welche andere parasitär abzocken müßen (muß, weil es offensichtlich eine Hirnstörung ist). Alle haben ihre Freiheit und die anderen, welchen das zu blöd ist, die bekommen nicht mal was davon mit. Läuft!
      • Von Basileukum Hobby-Spieler/in
        Zitat von groe69
        Bei uns in Belgien kann man keine Lootboxen wie aus Fifa Ultimate, von Wargaming oder anderen Spielen kaufen. Das finde ich aus Sicht des Jugendschutzes zwar ok, dass aber erwachsene Spieler dies auch nicht dürfen, wieder als Bevormundung. Hier müssen die Spieler sich einen Account in einem anderen EU-Land anlegen und per VPN spielen, sollten sie die Lootboxen kaufen möchten.
        Kann man ja alles machen. Es gibt ja auch Kasinos oder Glückspielhallen. Dann machst das halt digital. Vergibst Lizenzen an ein paar Firmen, die eröffnen in ihrem Land dann Portale, wie es da bei Lotto etc. auch gibt. Kannst dich halt nur mit Adresse, Perso und Kreditkarte anmelden, bist dann halt offensichtlich 18 oder eventuell macht man das auch ab 21, wie immer man will.

        Vor dem Zocken wirfst halt den "Glückspiellauncher" an, in Verbindung mit diesem gibt es halt eine Oberflächenerweiterung in dem Videospiel deiner Wahl. Da kannst dann Kohle versenken wie willst.

        Diejenigen, welche abgezockt werden wollen, sind damit bedient. Genauso wie diejenigen, welche andere parasitär abzocken müßen (muß, weil es offensichtlich eine Hirnstörung ist). Alle haben ihre Freiheit und die anderen, welchen das zu blöd ist, die bekommen nicht mal was davon mit. Läuft!
      • Von MarcHammel Spiele-Kenner/in
        Zitat von FeralKid
        Habe ich im Studium der Wirtschaftswissenschaften anders gelernt. Der Staat sollte lediglich ein paar Rahmenbedingungen schaffen, aber nicht ganze Märkte künstlich beeinflussen. Das geht immer schief. Immer.
        Was "ein paar Rahmenbedingungen" bedeutet, erschließt sich mir gerade nicht. Der Markt ist so unglaublich komplex, dass es mit ein "paar Rahmenbedingungen" schlicht nicht getan ist. Wer Narrenfreiheit hat, nutzt die auch aus. Und das geht genauso schief, wie ein zu starkes Eingreifen des Staates.
      • Von FeralKid Spiele-Kenner/in
        Zitat von MarcHammel
        Ich widerum nicht. Greift der Staat zu viel ein, ist das schlecht. Greift er zu wenig oder gar nicht ein, ist das aber auch schlecht. Der Markt regelt halt nicht alles und wenn, dann oft auch auf Kosten der Menschen.
        Habe ich im Studium der Wirtschaftswissenschaften anders gelernt. Der Staat sollte lediglich ein paar Rahmenbedingungen schaffen, aber nicht ganze Märkte künstlich beeinflussen. Das geht immer schief. Immer.
      • Von Worrel Spiele-Guru
        Zitat von Basileukum
        Ohne staatliche Eingriffe gäbe es keine "Energiewende" (da unrentabel und nur durch Zwang, Gesetze und Subventionen, zu erhalten)
        Gut, daß Kohle nicht subventioniert wird. Oh, wait ...
      • Von AzRa-eL Hobby-Spieler/in
        Zitat von Sbf93
        Stimmt. Aber ich als Daddy zweier Kinder sehe die Verantwortung dafür nicht beim Staat, sondern bei mir und meiner Frau.
        Ich sehe es bei allen in der Gesellschaft, da Erziehung und Einflussnahme nicht in einem isolierten Raum stattfindet.
        Die Kernerziehung fängt natürlich zu Hause an. Doch der Einfluss von Peer und der Gesellschaft und dem Staat ist nicht zu unterschätzen.
      Direkt zum Diskussionsende
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