Eiyuden Chronicle Hundred Heroes hätte fantastisch sein können - ist es aber leider nicht ...

Herzlich willkommen zu diesem Test zu Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes. Es gibt zwei Gründe, weswegen ihr hier seid. Option 1: Ihr kennt den Namen Suikoden, die Altmeister rund um die Entwicklung von Hundered Heroes, dessen leider etwas tragische Entwicklungsgeschichte, habt das Spiel schon längst gekauft und seid vielleicht sogar Kickstarter-Backer des Projekts.

Jetzt besucht ihr diese Seite und hättet gerne die PC-Games-Meinung zu einem Spiel, das euch seit Jahren viel bedeutet - würde mich interessieren, ob euch die Menü-Slowdowns genauso auf den Geist gehen wie mir, mehr dazu später.

Oder, Option 2: Ihr seid Rollenspiel-Fans, insbesondere mit JRPG-Einschlag, und auf der Plattform eurer Wahl Ende April 2024 über diesen ungewöhnlichen Titel gestolpert. Nun wüsstet ihr gerne mehr dazu. In beiden Fällen lautet unsere Antwort: Könnt ihr haben!

Base Game

Der Kern des neuen Eiyuden Chronicle - der spielerisch anders gelagerte Vorgänger, Eiyuden Chronicle: Rising, erschien 2022 - steckt in seinem Beinamen: Hundred Heroes. Der ist tatsächlich ernst gemeint: Im Spiel trefft ihr auf unzählige Charaktere, die ihr nicht nur für eure Party, sondern auch für eure Armee rekrutieren könnt.

Dazu gehört übrigens auch, eure Einsatzbasis mit verschiedenen Spezialisten auszubauen - Hundred Heroes ist ein Drittel Rollenspiel mit einer klassischen, aber stark erzählten und präsentieren Geschichte, ein Drittel Basis-Aufbauspiel und ein Drittel rundenbasierte Gefechtssimulation in den Geschmacksrichtungen Einzelduell, Gruppengefecht und Kriegskampagnen.

Obendrauf kommen im Laufe des Abenteuers noch einige Minigames und Ausflüge in Genres abseits des klassischen JRPGs - kleine Schleich-Etappen, zum Beispiel. All diese Aspekte kredenzen euch die Entwickler nach und nach in schön aufgeteilten Häppchen, meist genau dann, wenn ihr tatsächlich Lust auf etwas Neues habt.

Quelle: PC Games

Nenn mich Ribbon

Man muss fairerweise sagen: Dieser Ansatz ist ein zweischneidiges Schwert. Ja, Hundred Heroes hat eine gigantische Bandbreite teils herrlich exotischer Charaktere in petto und bekommt es trotzdem hin, seinen Fokus auf einige wenige Protagonisten nicht zu verlieren.

Weil daher aber jeder Charakter nur wenig Zeit hat, um eure Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sind die Figuren oft überzeichnet, auf ein oder zwei stereotype Verhaltensweisen reduziert, die man sich gut merken kann - und können einem durch dieses aufgesetzt wirkende Verhalten enorm auf den Geist gehen.

Es ist aber für jede Spielernatur etwas dabei - stets eingerahmt in einer positiven Stimmung, auch wenn Hundred Heroes durchaus ernste Themen anschneidet.

Und man muss auch sagen, dass viele der Figuren einfach nur ein Gimmick sind. Das beste Beispiel sind die Charaktere in eurem Hilfe-Slot. Manche von ihnen verleihen euch spezielle Optionen zur Gruppensortierung außerhalb von Gefechten, andere erhöhen den Ertrag an Sammelpunkten, bei denen ihr Ressourcen für euren Basisaufbau einkassieren könnt.

In vergleichbaren RPGs wären diese Charaktere schlicht passive Perks in einem Talentbaum oder Optionen für eure Ring/Amulett-Slots. Ein erheblicher Teil der Hundert Helden sind einfach nur figurengewordene Ausrüstungsgegenstände.

Seifenopern mit 100 Episoden

Auch bei der Art, wie es seine Geschichte erzählt, hat Hundred Heroes seinen ganz eigenen Stil. Zum Vergleich einige klasse aktuelle Rollenspiele ähnlicher Bauart: Octopath Traveler 2 präsentiert sein Abenteuer über zwei Hände voll gleichberechtigter Protagonisten locker Kapitel für Kapital und stellt dabei die Figuren in den Mittelpunkt. Aus den einzelnen Abschnitten ergibt sich dann eine gut greifbare Gesamtgeschichte.

Sea of Stars erzählt eine für sein Genre sehr kompakte Handlung dermaßen fesselnd, dass die beiden Hauptcharaktere dabei zum uninteressantesten Teil des ganzen Spiels werden. Macht aber nichts, weil das, was um das Helden-Duo passiert, das eigentliche Highlight in Sea of Stars ist. Tolles Drehbuch, stark erzählt!

Das neue Eiyuden Chronicle hat ebenfalls eine fesselnde Rahmenhandlung. Die ist zwar nicht sonderlich originell, wird aber von dem leidenschaftlichen Voice Acting (Respekt, sogar für viele NPCs!), der fantastisch die Emotionen tragenden Musik und glaubwürdigen Charakteren gestützt.

Quelle: PC Games Trotzdem bleibt es die Rahmenhandlung - im Zentrum der Storyline arbeitet Hundred Heroes mit sehr vielen sehr kurzen Episoden, die es um seine knapp hundert Verbündeten strickt.

Immer dann, wenn ihr einem neuen potenziellen Mitglied für euer Team begegnet, bekommt ihr eine kleine Storyline zu ihm oder ihr kredenzt. Manchmal sind das etwas tiefgreifendere Geschichten, manchmal aber auch einfach nur reine Fetch-Quests. Insgesamt passt das aber prima und hält als Gesamtpaket sicher euer Interesse hoch.

Pferde sind 3D

Wo wir gerade von Octopath Traveler 2 gesprochen haben: Hundred Heroes orientiert sich mit seiner Mischung aus 2D-Charakter-Sprites und 3D-Hintergründen klar an dem Square-Enix-Vorbild, mit zwei deutlichen Unterschieden. Einmal wäre da die Engine: Octopath Traveler 2 basiert auf der Unreal Engine 4, Hundred Heroes auf Unity.

Und zum anderen gehen die beiden Spiele trotz des ähnlichen Ansatzes deutlich in der Art Direction auseinander: Octopath Traveler 2 hat vielmehr einen Diorama-Stil, in dem die 3D-Umgebung sich stark an die 2D-Sprites der Figuren anschmiegt. Hundred Heroes setzt dagegen auf einen wesentlich breiteren Graben zwischen Polygonen und Sprites (lesenswert zu dem Thema: unser 2D-HD-Special).