Spielegeschichte von 1990 bis 2000 - Zocken wird Mainstream!

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Special Andreas Altenheimer - Autor Benedikt Plass-Fleßenkämper - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Spielegeschichte von 1990 bis 2000 - Zocken wird Mainstream!
Quelle: id-Software / Medienagentur plassma

Die 1990er sind für viele ältere Zocker das beliebteste Jahrzehnt der Gaming-Geschichte. Kein Wunder, waren sie doch geprägt von vielen Umbrüchen, rasanten Entwicklungen und einschneidenden Trends, die bis heute Spuren hinterlassen haben. Wir blicken zurück!

Wir erinnern uns: Die 1980er-Jahre waren geprägt von 8-Bit-Geräten wie dem Commodore 64 und dem Nintendo Entertainment System, bis sie am Ende der Dekade immer mehr von moderner 16-Bit-Hardware abgelöst wurden. Schaut euch allein die verschiedenen Versionen von Turrican (1990) und Turrican 2 (1991) an: Auch, wenn Kritiker und Fans die Run & Guns bereits auf dem C64 für ihre technischen Meisterleistungen feierten, erlangten sie erst am Amiga dank der legendären Musik von Chris Hülsbeck ihren wahren Kultstatus.

Überhaupt sollte der gebürtiger Kasseler die besten Jahre seiner Karriere in den 90ern feiern, weil er reihenweise ohrwurmverdächtige Melodien kreierte und gleichzeitig den Paula-Soundchip des Amiga bis zum Anschlag ausreizte. Und auch andere Entwickler sahen sich darin berufen, die Grenzen der vorgegebenen Hardware zu strapazieren - siehe die hochwertige Technik im Shoot 'em Up Thunder Force 3 (1990), die akkurate Ballphysik von Pinball Fantasies (1992) oder die knallbunte Grafik eines Lionheart (1993). Mit ein Grund für die Qualitätssteigerung war das Super Nintendo, das Ende 1990 in Japan debütierte und in den folgenden beiden Jahren auch den amerikanischen sowie europäischen Markt eroberte.

Es stellte die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenz auf die Probe, indem es ein kleines Meisterwerk nach dem anderen präsentierte: Super Mario World (1990) pulverisierte in puncto Umfang und Spielwitz jedes andere Jump & Run, Pilotwings (1990) überzeugte mit einer ruckelfreien 3D-Kulisse und sogar eine "schlichte" Städtebausimulation wie SimCity (1991) war den zwei Jahre alten Computerversionen aufgrund ihrer schicken Präsentation klar überlegen.


Die ersten beiden Teile unseres großen Rückblick-Specials


Hinzu kam mit F-Zero (1990) eine wahre Genre-Revolution: So ein schnelles Rennspiel hatte man noch nie zuvor gesehen! Die Nintendo-Eigenproduktion markierte den Beginn einer ganzen Welle an spektakulären 3D-Racern, die in den folgenden Jahren mit Virtua Racing (1992), Ridge Racer (1993) und wipEout (1995) einen Meilenstein nach dem anderen hervorbrachte.

Weiterhin kam mit dem Super Nintendo mehr Farbe und Musik ins Spiel: Während Yuzo Koshiros klassisch angehauchter Soundtrack in Actraiser (1990) locker mit einem realen Orchester mithalten konnte, klotzte Konamis Super Probotector (1992) mit spektakulären Grafikeffekten und Donkey Kong Country (1994) mit atemberaubenden Animationen.

Der Sprung von 8-Bit auf 16-Bit wirkte sich freilich nicht nur auf die Technik aus: Die Spieleentwickler konnten ihre Werke nun immer umfangreicher und komplexer gestalten, was besonders gut an diversen Fortsetzungen beliebter NES-Titel zu beobachten war.

F-Zero Quelle: Nintendo / Medienagentur plassma F-Zero Ein wunderbares Beispiel ist The Legend of Zelda: A Link to the Past (1991), das gegenüber seinen beiden Vorgängern sowohl bei der ausgefeilten Story als auch dank vieler neuer Features einen gewaltigen Sprung nach vorn machte. Deshalb festigte sich in den 1990er-Jahren der Glaube, dass Fortsetzungen von Videospielen grundsätzlich besser seien als ihre Originale.

Es mutet jedoch ein wenig irre an, dass all diese Errungenschaften aufgrund der rasanten Entwicklungen noch im selben Jahrzehnt schon wieder als "veraltet" bezeichnet wurden. Bei den Computerspielen stand gar eine Zeitenwende bevor: Der Amiga sollte nämlich der letzte erfolgreiche Heimcomputer sein, während der PC immer mehr an Reputation gewann und spätestens 1993 als klarer Sieger auserkoren wurde.

Der Siegesfeldzug des Rechenknechts

Die Gründe hierfür waren so simpel wie erdrückend: PC-Prozessoren waren schon längst jenen für Heimcomputer und Konsolen überlegen, und dank VGA-Grafikkarten konnten die Grafikdesigner deutlich mehr Farben auf den Monitor zaubern.

Bezüglich der Soundkarten stand den Entwicklern eine immer größer werdende Bandbreite zur Verfügung: Wer den synthetisch-dumpfen Klang eines FM-Synthesizers bevorzugte (so wie beispielsweise beim Sega Mega Drive), der legte sich eine relativ günstige Soundblaster-Karte zu.

Wer glasklar gesampelte Instrumente hören wollte, der besorgte sich indes ein teures Roland-MT-32 Soundboard oder die ähnlich hochwertige LAPC-I-Soundkarte.

Ende 1990 sollte der US-Spieldesigner Chris Roberts mit Wing Commander sämtliche eben genannte Vorzüge auskosten und somit eine waschechte Killer-Applikation erfinden - ergo ein Spiel, für das allein sich der Kauf eines PCs lohnte.

Die energiegeladene Weltraum-Action begeisterte mit orchesterwürdiger Musik und farbenfroher 3D-Grafik, die jedes fein gezeichnete Kilrathi-Raumschiffe stufenlos drehen sowie zoomen konnte. Hinzu kamen fantastisch animierte Zwischensequenzen, in denen man mit seinen groß dargestellten Comic-Kollegen plaudern durfte und dank derer jede Mission mit einer filmreif geschnittenen Startszene eingeläutet wurde.

The Legend of Zelda: A Link to the Past Quelle: Nintendo / Medienagentur plassma The Legend of Zelda: A Link to the Past Roberts war schlicht und ergreifend der nächste wichtige Schritt gelungen, damit sich Spiele immer mehr wie ein cineastisches Erlebnis anfühlten. Obendrauf gab es eine großartige Spielbarkeit, kompetent designte Missionen und eine spannende Story.

Gleichzeitig blickten Gaming-Enthusiasten ohne PC in die Röhre, denn die Umsetzungen für Super Nintendo und Amiga waren mit der Darstellung der 3D-Grafik hoffnungslos überfordert. Nur der Amiga 1200 konnte dank seines leistungsfähigen AGA-Chipsatzes ein halbwegs anständiges Spielgefühl vermitteln - wohlgemerkt erst 1992 und somit zwei Jahre nach dem Original.

Der größte Vorteil von Heimcomputern und Konsolen war lange Zeit das sogenannte Hardware-Scrolling, mit dem von Haus aus flüssige Bildbewegungen möglich waren. Doch auch diese Hürde wurde spätestens mit den Shareware-Hits Duke Nukem (1991) von Apogee und Commander Keen: Invasion of the Vorticons (1991) von id Software gemeistert.

Apropos id Software: Das US-Studio hatte mit den Ego-Shootern Wolfenstein 3D (1992) und Doom (1993) einen weiteren, essenziellen Beitrag zur Erfolgsgeschichte des PC beigetragen. Beide Titel stellten rasante und zugleich plastisch wirkende 3D-Levels dar, von deren Qualität man zuvor nur träumen konnte.

Parallel dazu entwickelte Blue Sky Productions (später bekannt als Looking Glass Studios) in Kooperation mit Origin eines der besten Spiele aller Zeiten, nämlich Ultima Underworld (1992).

Das Action-Rollenspiel mag seinerzeit nicht ganz so opulent ausgesehen haben wie etwa ein Lands of Lore (1993), klotzte aber dafür mit einer simplen Physik-Engine und einem revolutionären Genre-Mix aus Action (Kampfsystem), Geschicklichkeit (man kann/muss springen), Adventure (Dialoge mit anderen Charakteren), Puzzle (Rätseln) sowie Rollenspiel (es ist ein Ultima!). Solche Grenzüberschreitungen mögen heute selbstverständlich sein, doch anno 1992 glichen sie einer Revolution.

Am Rande sei noch erwähnt, dass auch in der Spielhalle ein ähnlicher 3D-Boom stattfand: Mit den Rail-Shootern Galaxian 3 (1990) sowie Starblade (1991) auf der einen und den Polygon-Boliden Virtua Racing (1992) und Virtua Fighter (1993) auf der anderen Seite stachelten sich die Entwicklerriesen Namco und Sega gegenseitig zu neuen Höchstleistungen an.

Der Gamechanger: Die CD-ROM

Der nächste Quantensprung beruhte auf den Speichermedien, auf denen die Hersteller ihre Spiele auslieferten. Bis Anfang der 1990er-Jahre war man primär Disketten (Computer), Module (vornehmlich Konsolen wie Mega Drive oder Super Nintendo) oder Steckkarten (Master System oder PC Engine) gewohnt.

Bildergalerie

Dies änderte sich schlagartig mit der Einführung der CD-ROM, beginnend 1989 in Japan dank eines optional erhältlichen Laufwerks für die PC Engine und weltweit 1993 mit dem Mega-CD-Zusatz für das Mega Drive. Den wahren Durchbruch der Technologie hatten wir jedoch erneut dem PC zu verdanken, weil es dort recht leicht und günstig war, ein bestehendes System mit einem CD-Laufwerk auszustatten - am besten mit einem der schnellen Double-Speed-Modelle.

    • Kommentare (24)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Vordack Spiele-Professor/in
        Zitat von G-Kar
        X-Com sage ich da mal nur. Ist halt nicht jeden Tag das ein Spiel (1994) ein Genre "begründet" und wo fast 30 Jahre später noch solche Aussagen wie "x-com like" kommen.

        Wenn ichs mir recht ueberlege dann ist X-Com Schuld an meinem Leben :D

        Ich habe meine Abi-Studierzeit damit verbracht X-Com zu zocken. Naja, Abi hab ich geschafft, nur nicht mit den Noten die manch ein anderer in der Klasse bekommen hat (und dan nach Harvard ist)l.

        Haette es X-Com nicht gegeben wuerden wir ein Stueck Spielegeschichte vermissen aber ich haette hoechstwahrscheinlich mehr Erfolg im Berufsleben gehabt :D :D
      • Von Vordack Spiele-Professor/in
        Zitat von G-Kar
        X-Com sage ich da mal nur. Ist halt nicht jeden Tag das ein Spiel (1994) ein Genre "begründet" und wo fast 30 Jahre später noch solche Aussagen wie "x-com like" kommen.

        Wenn ichs mir recht ueberlege dann ist X-Com Schuld an meinem Leben :D

        Ich habe meine Abi-Studierzeit damit verbracht X-Com zu zocken. Naja, Abi hab ich geschafft, nur nicht mit den Noten die manch ein anderer in der Klasse bekommen hat (und dan nach Harvard ist)l.

        Haette es X-Com nicht gegeben wuerden wir ein Stueck Spielegeschichte vermissen aber ich haette hoechstwahrscheinlich mehr Erfolg im Berufsleben gehabt :D :D
      • Von Beardsmear Anfänger/in
        Die Marktführerschaft von Sony bröckelt aber langsam wieder. Den japanischen Markt haben sie nach eigener Aussage durch Fokus auf die USA praktisch aufgegeben.
        In der Top 100 noch rund 20 Playstation Titel. Wohlgemerkt für die 4. Die PS5 ist nicht mal mit einer Handvoll Titel vertreten.
        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
        Die Exklusivität wird auch immer schwieriger zu halten. Die meisten großen Titel sind Multiplattformer und die größten Exklusivtitel, wie God of War, Horizon Dawn usw. finden ihren Weg auch auf den PC.
        Die Kopplung an die Hardware wird bei Konsolen langsam sinnfrei, wenn diese nicht auch exklusive Features bietet, wie das Nintendo stets versucht (erstes Gamepad, Steuerkreuz, Schultertasten, Analogstick, Controller-Vibration, Dual-Screen, Mobil/Dock) und zumindest die hauseigenen Nintendo-Titel mit dem Klempner sind schon ein Spaßgarant.
        Interessant wäre es wenn Sony und MS es auch wieder mit mobilen Geräten versuchen. Ich habe 3 Gaming PCs hier stehen und trotzdem geht die meiste Zeit auf das Steam Deck auf dem Sofa oder der Terasse drauf. Irgendwie entspannter und gibt diese Gemütlichkeit wie der alte Gameboy als Kind.
        Nachfolger zu PSP oder Vita wäre schon was, was denkt ihr?
      • Von G-Kar Hobby-Spieler/in
        Zitat von Roman_Reigns
        Strategiespiele wurden im Artikel glaube ich gar nicht oder kaum erwähnt, dabei waren gerade die Neunziger wegweisend für das Genre.
        X-Com sage ich da mal nur. Ist halt nicht jeden Tag das ein Spiel (1994) ein Genre "begründet" und wo fast 30 Jahre später noch solche Aussagen wie "x-com like" kommen.

        Oder auch Civilization (Civ 1 1991) und Master of Orion (1993), welches quasi den Ausdruck 4X Game erschaffen hat.

        Das sind so die drei (Strategie) Marken die mir für die 90'er ins Gedächtnis gebrannt sind.

        Und Ende der 90'er (1999 um genau zu sein) dann natürlich Homeworld (wobei jeder der es gespielt hat den enormen emotionalen Einfluss dieses Stückes hier bezeugen kann).

        Aber auch Simulationen. Mechwarrior 2 und MW2 Mercs, Schleichfahrt (immer noch die beste Unterwasser Action Simulation, da kamen die Aquanox Titel nie ran!), die "Jane's" Spiele, MS Flight Simulator.

        Die 90'er waren schon schöne Jahre, kann man nicht anders sagen.
      • Von Bast3l Hobby-Spieler/in
        Zitat von DarkSamus666

        Klar haben viele Spiele Einfluss, sind aber teils auch nur reine Evolution. Resident Evil ist ein Spiel, das zig Nachahmer hatte. Jetzt könnte man darüber streiten, ob Alone in the Dark vorher war und RE nur den Combat dazugefügt hat...
        Kann man nicht. 1. Alone in the Dark war vorher und 2. hat es Shinji Mikami hart inspiriert, wie er selbst nach seinem Weggang von Capcom erklärt hat.
      • Von Roman_Reigns Hobby-Spieler/in
        Zitat von DarkSamus666
        Im Bereich 3D-Action-Adventure so ziemlich. Es ist einfach so viel x-fach verwendet worden, was es tuvor halt schlicht nicht gab. Es ist nicht umsonst das bestbewertete Spiel überhaupt und Leute vom Fach schwärmen noch heute von den Innovationen.

        Klar haben viele Spiele Einfluss, sind aber teils auch nur reine Evolution. Resident Evil ist ein Spiel, das zig Nachahmer hatte. Jetzt könnte man darüber streiten, ob Alone in the Dark vorher war und RE nur den Combat dazugefügt hat...

        Da kann ich als Konsolero nicht mitreden, ändert aber nichts an meiner Kritik, die lautet, dass eines der wichtigsten Spiele der Videospielgeschichte keine Erwähnung findet.
        Ich spiele Multiplattform, also PC und außer XBox (für jemanden, der einen PC hat ist sie obsolet geworden) Playstation und Switch.
        Die Neunziger waren noch nicht das Jahrzehnt der 3D Action Adventures. OoT kam Ende 1998 und hatte auf die Entwicklung und die Spiele der Neunziger selbst kaum oder keinen weiteren Einfluss. Für spätere Sachen ja. Ich würde das erste Tomb Raider 1996 schon etwas mehr dazuzählen.
        Ich bleibe daher bei meiner Aussage, dass ich etwas schade finde, dass Strategie kaum Erwähnung findet, gerade weil die Neunziger voll davon waren.
        Aber trotzdem ein schöner Artikel, mit vielen Erinnerungen, die wieder aufgefrischt wurden.
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