The Suicide Squad: Brauchen wir tatsächlich mehr Superheldenfilme für Erwachsene?

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Special Christian Fussy - Redakteur
The Suicide Squad: Brauchen wir tatsächlich mehr Superheldenfilme für Erwachsene?
Quelle: Warner Bros.

Mit "The Suicide Squad" bringt Regisseur James Gunn eine verspielte und äußerst brutale Superheldenkomödie auf die Leinwand, der mehr mit seinem Œuvre vor "Guardians of the Galaxy" gemeinsam hat als mit DCs restlichem Filmuniversum. Damit zeigt Studio Warner Bros eine Experimentierfreude, die die Firma hoffentlich auch zukünftigen Filmemachern zugesteht. Vielleicht sehen wir also bald öfter Superheldenabenteuer mit Kraftausdrücken und extremer Gewalt. Aber braucht es diese Elemente überhaupt?

Auch wenn "The Suicide Squad" bisher kein großer Erfolg an den Kinokassen beschert war, gilt der Film zumindest qualitativ als Hit. Lob gibt es von allen Seiten für die starke Charakterisierung der Hauptfiguren, die kreativen Actionsequenzen und den für Regisseur James Gunn typischen schwarzen Humor. Der Film bringe frischen Wind ins Superheldenkino und zeige, was möglich sei, wenn ein Studio einen motivierten Filmschaffenden einfach mal machen lässt.

Auch ich bin ziemlich angetan von Gunns jüngstem Streich. Vor allem im Vergleich zu David Ayers "Suicide Squad" aus dem Jahr 2016, wirkt die Interpretation des "Guardians of the Galaxy"-Regisseurs mühelos cool. Die Musikuntermalung scheint nicht von einem Komitee aus Executives zusammengestellt worden zu sein, die verzweifelt versuchen, hip zu sein. Die Figuren sind zwar teilweise äußerst lächerlich in ihren Superkräften und sonstigen Eigenarten, aber haben trotzdem nachvollziehbare Motive und Emotionen. Und die Gewaltdarstellung mag übertrieben und teilweise sogar ganz schön grausam sein, wird jedoch nie geschmacklos. Ein rundum unterhaltsamer Film also. Trotzdem bin ich gegenüber dem Trend, Superheldenfilme vermehrt auch exklusiv für Erwachsene zu machen, ein wenig skeptisch.

Das bedeutet nicht, dass ich die Idee grundsätzlich schlecht finde. Im Gegenteil: Je mehr Freiheit vom Studio Filmschaffende bei ihrer Arbeit bekommen, desto besser. Ich bin mir nur nicht sicher, ob Hollywood die Disziplin haben wird, sich nicht sofort wieder und zu oft zu wiederholen. Ich rede hier auch nicht von Comic-Verfilmungen generell, sondern speziell von Superheldengeschichten.

Grenzüberschreitung nach Schema F

Wir haben bereits eine ganze Reihe von Superheldenfilmen und -serien mit dem sogenannten R-Rating, das einer Freigabe ab 17 Jahren in den USA entspricht. Und ich sehe dort bereits erste Abnutzungserscheinungen.

The Boys Quelle: JAN THIJS / AMAZON PRIME VIDEO The Boys Die größte Unterkategorie dieser Superheldenfranchises für Erwachsene bilden wohl die Genre-Dekonstruktionen, also Geschichten, die das Superhelden-Genre parodieren oder kommentieren. Zu diesen zählen Amazons "The Boys" und "Invincable", die "Deadpool"-Filme, James Gunns "Super - Shut Up Crime", Brightburn", "Kick Ass" und "Watchmen". Diese Filme zeigen übertriebene Gewalt und entschieden unheroische Charaktere. Wo "Deadpool" eher die Konventionen des Genres auf die Schippe nimmt und den eigenen Antihelden sozusagen als Kommentarspur benutzt, stellen "Brightburn", "The Boys" und "Invincible" die Frage, ob eine Realität, in der manche Wesen Superkräfte haben, nicht eigentlich ein Alptraum für alle anderen wäre. In "Kick-Ass" und "Super" gibt es dann zwar keine Superkräfte, allerdings wird die Entscheidung, sich ein Kostüm anzuziehen und auf Verbrecherjagd zu gehen, als albern, teilweise psychotisch und in vieler Hinsicht fehlgeleitet dargestellt.

Das vielleicht bekannteste Werk, das in diese Kategorie fällt, ist "Watchmen" von Alan Moore und Dave Gibbons. Das hochpolitische Comicbuch sollte einen neuen Standard setzen, welche Geschichten in dem Medium erzählt werden können. Obwohl das Buch zahlreiche höchst verstörende Szenen enthält, ist die Gewaltdarstellung bis auf eine Szene gegen Ende ziemlich moderat. Dennoch trat "Watchmen" eine Welle an düsteren Comic-Geschichten los, in denen Superhelden als brutale Schlächter neuinterpretiert wurden. Auch die Adaption des Werks durch Zack Snyder aus dem Jahr 2007 ist um einiges stylisher und blutrünstiger als die Vorlage und verzerrt so eines ihrer zentralen Themen. Statt aus dem Erfolg von "Watchmen" zu lernen, dass es möglich ist, auch mit Superhelden komplexere Geschichten zu erzählen, erkannte die Comicindustrie eigentlich nur, dass abgefuckte Helden cool sind und sich das Label "für Erwachsene" gut verkaufen lässt.

Deadpool Quelle: 20th Century Fox Deadpool Ich habe das Gefühl, dass uns so etwas Ähnliches auch bei Superheldenfilmen bevorstehen könnte.
Bereits nach dem Release von "Deadpool" vermutete James Gunn in einem Facebook-Post selbst, dass Hollywood die falschen Schlüsse aus dem massiven Einspielergebnis des Filmes ziehen würde (via The Wrap). Die eigentliche Lektion sei, dass sich riskante Ideen auszahlen können und nichts dagegenspricht, einem vulgären, gewalttätigen Sprücheklopfer auch einen vulgären, gewalthaltigen Film zu geben. Und eben nicht, dass jeder Superheldenfilm in Zukunft in dieselbe Kerbe schlagen sollte.

Nur blutig-ernster Kinderkram?

Auch wenn eine Neuinterpretation bekannter Figuren nicht grundsätzlich eine schlechte Idee ist, so sollte die Inszenierung schon zur betreffenden Figur passen. Und es kann wirklich sein, dass es an mir liegt, aber je ernster die Adaption eines Superheldencomics versucht zu sein, desto affiger finde ich sie am Ende meistens. Zwar gibt es sicherlich Ausnahmen, so zum Beispiel die Christopher Nolan Batman-Filme oder der "X-Men"-Abgesang "Logan", aber es braucht schon einige Handwerkskunst, um mich vergessen zu lassen, dass es sich bei Superman und Co. um Helden handelt, die in erster Linie Kinder ansprechen sollen.

Joker Quelle: Niko Tavernise / Warner Bros. Entertainment Joker Das ganze Konzept von Superhelden ist im Prinzip eine simple Machtfantasie und die Designs der Charaktere bunt und albern, um die Fantasie der Zielgruppe anzuregen. Was natürlich nicht bedeutet, dass Erwachsene damit keinen Spaß haben dürfen. Aber nur, weil ein Schurke wie der Joker durchaus als Sinnbild für entmündigte Gesellschaftsschichten stehen kann, muss das nicht automatisch bedeuten, dass es eine gute Idee ist, ihn für seinen Solofilm in ein "King of Comedy"/"Taxi Driver"-Knockoff zu verfrachten.

"The Suicide Squad" hat für mich die goldene Mitte gefunden. Die Geschichte mag simpel sein, reicht aber aus als Gerüst für einen spaßigen Team-Up-Film. Die Gewalt trägt dabei natürlich zur Unterhaltung bei, ist jedoch nicht die einzige Quelle des Humors. Wäre der Film lediglich eine zweistündige Episode der "Happy Tree Friends" und das einzige Verkaufsargument "Superhelden, aber es fliegen Körperteile", würde das Publikum wahrscheinlich schnell das Interesse verlieren. Stattdessen nutzt James Gunn die Breite an albernen Figuren im Warner-Bros-Katalog, die Zügellosigkeit der Action und seine eigenen Sensibilitäten als Freund von Außenseitern, um einen - zumindest in der Inszenierung - originellen und stimmigen Film zu erzählen. Anders als Deadpool sind Gunns Figuren keine augenzwinkernden Schlaumeier, sondern reagieren auf die hanebüchenen Entwicklungen der Story mit Unverständnis und nacktem Entsetzen. "The Suicide Squad" nimmt sich selbst ernst genug, um nicht redundant zu sein.

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Zu eigenartig fürs Kino

Die Tatsache, dass sich Studios mittlerweile trauen, solche Filme zu veröffentlichen - und das mit einem ordentlichen Budget obendrein - verspricht zahlreiche neue Möglichkeiten für Filmschaffende, allerdings glaube ich noch nicht ganz daran, dass die Vielfalt an Geschichten tatsächlich zunehmen wird. Bis jetzt wurde noch nicht so viel mit dem R-Rating gemacht, das über die bereits beschriebenen Trends hinausgeht. Die Superheldenfilme von Marvel Studios mögen formelhaft sein und aufgrund ihres geteilten Universums individuell keine großen Sprünge machen können, aber zumindest sieht man bei den Serien "WandaVision" und "Loki" schon im Ansatz, welche Geschichten im Genre noch möglich wären, würde man tatsächlich den Rahmen sprengen wollen. Warner hat hingegen mit "The Suicide Squad" gezeigt, dass sie in der Lage wären, ebendies zu tun, die Experimentierfreude sollte aber nicht bei der Gewaltdarstellung enden, sobald der Regisseur einmal nicht James Gunn heißt. Die sehr simple Story hat für "Deadpool" und "The Suicide Squad" funktioniert, aber das sollte nicht bedeuten, dass sie zur Schablone für zukünftige Filme werden sollte.

HBOs Watchmen Quelle: HBO Entertainment HBOs Watchmen Die besten Beispiele dafür, wo die Reise hingehen sollte, findet man hier tatsächlich wieder im TV-/Streaming-Segment: Marvels X-Men-Show "Legion" war zwar nicht jedermanns Sache, aber hochoriginell und definitiv nicht zurückhaltend, was verstörende Themen und Bilder angeht. Und auch HBO/Warners "Watchmen"-Serie sprühte vor kreativen Ideen. Man kann beiden Werken zwar einiges vorwerfen, Formelhaftigkeit jedoch nicht.

Im Filmbereich regiert jedoch unterm Strich immer noch das Konventionelle. Die Superhelden-Adaption, über deren Ankündigung ich mich in den letzten Jahren am meisten gefreut habe, war Ava DuVernays "New Gods", was vor allem daran liegt, dass Comic-Autor Tom King für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Kings Arbeit im Printbereich ist häufig phänomenal, nicht selten umstritten und äußerst lesenswert. Seine Interpretationen von Figuren wie Mister Miracle, Vision und Batman sind unkonventionell, aber trotzdem in der Lore der Comics verankert und geben tiefe Einblicke in die Psyche der Helden. Dabei schreckt King nicht vor Tabuthemen und tragischen Entwicklungen zurück, was seine Werke prädestiniert erscheinen lässt für eine an Erwachsene gerichtete Verfilmung.

Leider zog Warner noch während der Vorproduktionsphase den Stecker bei "New Gods". Das muss nicht bedeuten, dass experimentelle Filme im DC-Universum keinen Platz mehr haben, hinsichtlich der Tatsache, dass die meisten Superheldenabenteuer einer ähnlichen Struktur folgen, finde ich es aber schon bedauernswert. Es wäre doch schön, wenn neben den simplen Freuden eines "The Suicide Squad" auch noch Raum für erwachsene Geschichten wäre, die narrativ neue Wege gehen. Ich will nicht zu viel auf "Joker" rumhacken, auch wenn mir der Film selbst überhaupt nicht gefallen hat. Dass er überhaupt in dieser Form existiert, zeugt ja schon von einem gewissen Vertrauen in die persönliche Handschrift des Filmemachers. Aber unterm Strich kann man ihn auch gar nicht wirklich als Superheldenfilm bezeichnen, sondern eher als Drama mit Comic-Anstrich.

Mut zu Blut, aber nicht automatisch gut

The Suicide Squad Quelle: Warner Bros. The Suicide Squad Worauf ich hinaus will ist, dass "für Erwachsene" auch etwas Anderes bedeuten kann - und sollte - als Gewalt, Fäkalsprache und Nihilismus. So cool diese Elemente mitunter sein können, wenn die Grenze einmal überschritten ist, überraschen sie bei den nächsten X Malen einfach nicht mehr. Oder, um die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Ja, ich freue mich auch darüber, dass Superheldenfilme nicht zwangsweise kinderfreundlich sein müssen, aber nur so lange das R-Rating nicht selbst zur Einschränkung wird. Mut kann auch bedeuten, auf genau diese Elemente zu verzichten.

Charaktere mit einer anderen Agenda als "die Mission ausführen, die Bösen stoppen und die Welt retten" gibt es aber meist nur in der Schurkenrolle. Dabei bestünde hier doch das größte Potenzial für spannende Geschichten. So hätte beispielsweise "Venom" extrem davon profitiert, den generischen Gegenspieler außen vor zu lassen und sich nur auf die Beziehung zwischen Eddie Brock (Tom Hardy) und dem Symbionten zu konzentrieren. Die Jeckyll-und Hyde-Dynamik der Beiden schreit praktisch nach Horror-Comedy-Elementen im Stil von "American Werewolf" oder "Little Shop of Horrors". Als externe Gegenspieler reichen vorerst ordinäre Gangster. Sollte die Figur tatsächlich irgendwann in einem R-Rated-Film auftreten, würde ich es zumindest schön finden, wenn die Dualität der Figur und ihre psychische Verfassung stärker im Mittelpunkt stünden als nur wieder dieselben nervenbetäubenden Actionsequenzen - nur eben diesmal mit Blut.

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Richtig eingesetzt kann brachiale Gewalt einen Film schon bereichern (siehe z.B. ein Meisterwerk wie "Robocop" im Vergleich zum blutleeren Remake von 2014), aber sie sollte nicht das einzige Instrument im Orchester sein.

    • Kommentare (24)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von sliking NPC
        Klar.. Wir sind doch auch alle erwachsen geworden oder nicht. :D
      • Von sliking NPC
        Klar.. Wir sind doch auch alle erwachsen geworden oder nicht. :D
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Zitat von Nyx-Adreena
        Strange ist doch gut. ;)
        Nicht ohne Doctor.

        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
        ^^
      • Von Nyx-Adreena Nerd
        Zitat von sauerlandboy79
        Ist mir zu strange. Dann lieber freundliche Spinnen. :B
        Strange ist doch gut. ;)
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Zitat von Nyx-Adreena

        Natürlich! Gerade wenn die Helden sprechende Bäume oder Waschbären sind. Komische Frage. ;)
        Ist mir zu strange. Dann lieber freundliche Spinnen. :-B
      • Von Worrel Spiele-Guru
        Zitat von Haehnchen81
        Ich persönlich begrüße diese Art von Filmen sehr... der neue Suicide Squad hat mich bisher gar nicht interessiert, die Trailer fand ich auch blöd, und besonders was DC bisher filmisch seit start des DCEU ablieferte war halt eher schlecht als recht. Tiefpunkt war der 2016er suicide Squad (gott war der schlecht, da gab es gar nichts gutes dran, wirklich nichts... nein auch den Joker nicht)
        Interessante Sichtweise. Ich hätte nicht gedacht, daß jemand diesen völlig an den Haaren herbeigezogenen Gastauftritt eines der schlechtesten Joker irgendwie als das Beste in dem Film ansehen könnte.
        btw. habe ich den Film als mittelmäßig, Tendenz Richtung gut, in Erinnerung, keine Ahnung, warum da alle so drauf rumkloppen.
      Direkt zum Diskussionsende
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