The Day Before: Chronologie eines Scams - wie konnte es so weit kommen?

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Special David Benke - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Artwork aus The Day Before
Quelle: FNTASTIC

Vom Shootingstar zur Supernova: Wir gehen dem Untergang von The Day Before auf den Grund und zeichnen nach, wie es überhaupt so weit kommen konnte.

Fast vier Jahre mussten wir auf The Day Before warten, am Ende hielt sich die selbst ernannte "Revolution des Survival-MMO-Genres" nicht einmal vier Tage. In Tests wurde das Spiel zerrissen - auch bei uns -, auf Steam massenweise refunded, auf der Entwickler-Website für tot erklärt. Die Macher sind pleite und komplett untergetaucht. Wie konnte die einstige Nummer Eins der Steam-Wishlist so tief sinken? Wir begeben uns auf Spurensuche.

Das Spielejahr 2023 hatte wirklich einige Lowlights zu bieten: Der Herr der Ringe: Gollum floppte so hart, dass die Verantwortlichen von Daedelic Entertainment gleich ihre gesamte Entwicklungsabteilung schlossen.

Overwatch 2 katapultierte sich mit einer Mischung aus fiesen Bugs, mangelnden Inhalten und raffgieriger Monetarisierung in die Top 10 der meistgehassten Spiele auf Steam. Technisch maue respektive miserable Switch-Portierungen von Hogwarts Legacy und Mortal Kombat 1 ließen Fans endgültig für einen dringend notwendigen Konsolennachfolger auf die Barrikaden gehen.

29:42
The Day Before | Ein Mahnmal des Hypes - Die komplette Geschichte

Und dennoch sorgte kein Spiel für so viele negative Schlagzeilen wie The Day Before. Fast vier Jahre lang als "Revolution des Survival-MMO-Genres" gehypt, zerlegte sich der Early-Access-Titel in vier Tagen selbst: Katastrophen-Launch, Review Bombing, Steam-Löschung und Studio-Schließung an einem Wochenende - das gleicht einem Speedrun in den Ruin!

Zurückgeblieben sind frustrierte Spieler, rekordverdächtig schlechte Testwertungen und ganz viele Fragen. Allen voran natürlich: Wie konnte die einstige Nummer eins der Steam-Wishlist so tief sinken? Wir versuchen uns in diesem Special an einer Aufarbeitung der Causa The Day Before.

29. Januar 2021: The Day Before wird angekündigt

Die Geschichte von The Day Before im Nachhinein noch einmal nachzuvollziehen, erweist sich als eine ziemliche Herausforderung. Die Entwickler haben sich über die vergangenen Tage viel Mühe gegeben, all ihre Spuren aus dem Netz zu tilgen. YouTube-Videos sind offline, Twitter-Profile privat, Websiten-Postings gelöscht. Die Rekonstruktion der Ereignisse gleicht einem Flickenteppich.

Eines lässt sich aber relativ klar sagen: Die ganze Saga beginnt vor etwas über drei Jahren, mit einem ordentlichen Knall. Am 29. Januar 2021 erscheint auf dem YouTube-Kanal von IGN der erste Trailer des Spiels - und schlägt direkt ein wie eine Bombe. Eine Million Aufrufe sammelt das Video innerhalb nur weniger Wochen, dazu mehrere Zehntausend Likes.

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Die Kommentare überschlagen sich vor Euphorie: "Ich kann es nicht abwarten, zu sehen, was das Spiel zu bieten hat", liest man da, oder: "Das sieht wirklich vielversprechend aus!" Das Feedback ist atemberaubend, dafür, dass der Titel aus dem absoluten Nichts auf der Bildfläche erscheint.

Das liegt vor allem am Gezeigten selbst: Über knapp fünf Minuten präsentieren die Entwickler von FNTASTIC einen packenden Überlebenskampf in einer postapokalyptischen US-Metropole.

Es gibt intensive Feuergefechte gegen andere Spieler, Verfolgungsjagden mit riesigen Zombie-Horden, Looting, Crafting und sogar Fahrzeuge - und das alles in einem richtig stimmungsvollen Look! Besonders das atmosphärische Schneetreiben und die tollen Lichteffekte schinden ordentlich Eindruck. Schnell kommen Vergleiche mit The Division und The Last of Us auf.

Screenshot aus The Day Before, der an The Division erinnert Quelle: FNTASTIC

27. Februar 2021: Der Gameplay-Trailer erscheint

Im Rahmen des IGN-Fanfests im Februar 2021 legen die Entwickler dann noch einmal nach. Ein neuer, knapp drei Minuten langer Gameplay-Clip beleuchtet das Gunplay: Wir sehen Schießereien an hart umkämpfen Straßenecken, brutale Takedowns und ... einen Panzer?

Die Gründer von FNTASTIC halten außerdem zum ersten Mal selbst ihr Gesicht in die Kamera und überbieten sich dabei geradezu mit vollmundigen Versprechungen: The Day Before sei das größte Spiel der Studiogeschichte und "eine echte Revolution im MMO-Survival-Genre", erklären Eduard und Aysen Gotovtsev. In einem separaten Gespräch mit IGN schieben sie später noch nach: "The Day Before macht von Grund auf alles neu, von den Spielzielen bis hin zu [...] den Spielmechaniken."

11. bis 17. März 2021: Die ersten Previews

Im März erscheinen weitere Vorschau- und Interview-Artikel, einer vielversprechender als der andere. Mit wccftech sprechen die Macher über verschiedene Zombietypen, die sich durch ihre Physis voneinander unterscheiden sollen. Außerdem habe man die Viecher extrem intelligent gemacht, sodass sie auf Licht oder Lärm reagieren. Deshalb gebe es eine Stealth-Mechanik im Spiel.

Gegenüber GamingBolt ist die Rede von einem fairen Charakter- und Ausrüstungssystem. Es werde keine Levels geben, keine Items mit verschiedenen farbcodierten Seltenheitsstufen. "Alles ist echt, wie in der Realität", heißt es. "Eine leichte Panzerweste schützt also nur gegen Pistolenbeschuss."

Und bei Everyeye.it ist schließlich die Rede von einer riesigen, sorgfältig gestalteten Karte ohne prozedural generierte Elemente. Neben Städten soll es auch ländliche Regionen, Wälder und schneebedeckte Berge geben, die ihr zu Fuß oder per Fahrzeug erkunden könnt. Dynamische Wetter- und Tageszeitenwechsel sind natürlich auch geplant.

Waldlandschaft mit kaputtem Auto Quelle: FNTASTIC Was dabei erstmals etwas stutzig macht: Die Artikel lesen sich alle überraschend gleich. Die Reihenfolge der Fragen variiert zwar, am Ende werden aber immer die gleichen Antworten zitiert. Der Satz "Wir werden eine Pre-Launch-Beta haben, aber nur für ein paar Tausend Glückliche. Es ist toll, dass unser Publisher so viele Mitarbeiter hat!" steht etwa gleich auf mehreren Websites.

Das russische Gaming-Portal VGTimes fügt seinem Text sogar noch eine nachträgliche Anmerkung bei: "Nach der Veröffentlichung haben wir herausgefunden, dass die Antworten auf unsere Fragen [...] nicht einzigartig sind und auch an andere Publikationen geschickt wurden."

Rückblick: Die Vorgeschichte von FNTASTIC

Zudem kommen erste Zweifel auf, ob FNTASTIC überhaupt in der Lage ist, all die ambitionierten Versprechen tatsächlich einzuhalten. Die bisherige Firmengeschichte liest sich nämlich alles andere als überzeugend.

Bildergalerie

Vielmehr steht das 2015 in Russland gegründete Studio immer wieder für fragwürdige Geschäftspraktiken in der Kritik: Das 2016 über Kickstarter finanzierte und 2017 auf Steam veröffentlichte The Wild Eight hielt man beispielsweise nur für ein knappes halbes Jahr am Leben. Danach zog man dem Koop-Survival-Spiel, in dem es euch in die eisigen Weiten von Alaska verschlägt, den Stecker. Die Rechte am Spiel gingen an Publisher HypeTrain Digital. Mit dem Verkauf finanzierte FNTASTIC dann sein nächstes Projekt.

    • Kommentare (8)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Kirkegard Anwärter/in
        Die Game Star?
        Hype ohne Hirn. Mein Favorit, die Live Schalte zum Serverstart.
      • Von Kirkegard Anwärter/in
        Die Game Star?
        Hype ohne Hirn. Mein Favorit, die Live Schalte zum Serverstart.
      • Von BlackyRay Spiele-Novize/Novizin
        Zitat von TroniX11
        Also Leute die Entwickler haben alles gegeben aber ehrlich die Jugend heut zu Tage ist zu verwöhnt hätte man denen eine Chance gegeben wurden die es Safe gut machen aber wegen der hate Welle haben die Entwickler auch den Sack voll. Macht mal ein Spiel mit knapp über 20 Entwickler was gut funktioniert da geb ich euch nicht 5 Jahre sonder 10 und dann sehen wir mal ob ihr eins rausbringt ohne Bugs und laggs . Die Jugend ist einfach zu verwöhnt.:(
        Und die alten leute haben einfach keije ahnung über die Möglichkeiten heutzutage.... Leute releasen heutzutage teilweise games völlig alleine und das nach 2-3 Jahren und nach 5 jahren bekommen wir diesen riesen schrotthaufen serviert.

        Es gab schon längst creator die das experiment gewagt haben und the day before quasi in paar Monaten zusammengebaut haben.

        Aber völlig egal ob nun 5 jahre reichen solch ein spiel zu erstellen oder nicht.

        Das spiel ist als fertig beworben worden. Es sind gameplayinhalte gezeigt worden mit dem verweis, dass diese allesamt im spiel vorhanden sein sollten....
        Komischerweise ist nichts von alledem im Spiel gewesen und aus dem Goldstatus wurde plötzlich eine early acces alpha version. Es ist auch mit einem genre geworben worden, welches man nie vor hatte abzuliefern. Einfach nur weil mmo eine grose medienwirkung hat.

        Wenn ich jemandem eine Villa verkaufe und dann eine kleine Hundehütte hin stelle dann würde mich die Person auch verklagen....
      • Von chewie1802 Anwärter/in
        Zitat von TroniX11
        Also Leute die Entwickler haben alles gegeben aber ehrlich die Jugend heut zu Tage ist zu verwöhnt hätte man denen eine Chance gegeben wurden die es Safe gut machen aber wegen der hate Welle haben die Entwickler auch den Sack voll. Macht mal ein Spiel mit knapp über 20 Entwickler was gut funktioniert da geb ich euch nicht 5 Jahre sonder 10 und dann sehen wir mal ob ihr eins rausbringt ohne Bugs und laggs . Die Jugend ist einfach zu verwöhnt.:(
        Du hast den Artikel ganz offensichtlich nicht gelesen, ansonsten würdest du hier nicht so einen Quark absondern!
        Im übrigen empfehle ich die Verwendung von Interpunktion, denn "Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Schrift".
      • Von OldShatterhand Nerd
        Schade dass alle immer so einfach und kulant Refunds kriegen bei solchen Aktionen. Das trägt nicht gerade zu einem Lerneffekt bei, nach dem Motto "Kaufen wir doch lieber mal erst nach Release wenn man weiß was man da wirklich kriegt". Es sind schliesslich digitale Produkte, die laufen nicht weg und haben auch keinen Ausverkauf.

        ~Stop preordering Videogames, for the Love of god, please!~
        totalbiscuit, 2016
      • Von TheRattlesnake Spiele-Kenner/in
        Zitat von TroniX11
        Also Leute die Entwickler haben alles gegeben aber ehrlich die Jugend heut zu Tage ist zu verwöhnt hätte man denen eine Chance gegeben wurden die es Safe gut machen aber wegen der hate Welle haben die Entwickler auch den Sack voll. Macht mal ein Spiel mit knapp über 20 Entwickler was gut funktioniert da geb ich euch nicht 5 Jahre sonder 10 und dann sehen wir mal ob ihr eins rausbringt ohne Bugs und laggs . Die Jugend ist einfach zu verwöhnt.:(
        Ich zähle mich zwar nicht mehr zur Jugend aber wenn die Entwickler über mehrere Jahre Dinge versprechen und es das Spiel zum Release nichtmal ansatzweise halten kann dann hat das doch nichts mit "zu verwöhnt" zu tun. Die Chance etwas gutes abzuliefern hatten sie ja offenbar. Sogar mehrfach wenn ich die Zusammenfassung so lese und der Hype bis zum Ende so groß war obwohl es vorher schon große Skepsis gab. Was hat die Entwickler denn daran gehindert das Spiel nochmal zu verschieben und weiter daran zu arbeiten? Wenn das wirklich ein ernsthaftes Projekt war dann haben sich die Entwickler in meinen Augen einfach deutlich übernommen.
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