Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek, Teil 2: Von den wilden 70ern bis zu seinem Vermächtnis

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Special Sebastian Göttling - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek, Teil 2: Von den wilden 70ern bis zu seinem Vermächtnis
Quelle: Paramount

Gene Roddenberry war mehr als nur der Erfinder von Star Trek. Im zweiten Teil unseres Blicks auf sein Leben widmen wir uns unter anderem seinem bleibenden Einfluss.

Also wurde Gene Roddenberry ebenfalls zum Vortragsreisenden und ließ sich nicht von der Tatsache abhalten, dass selbst der schönste maßgeschneiderte Anzug innerhalb weniger Minuten an ihm, diesem Bären von einem Mann Roddenberry, völlig ausgebufft aussah.

Damit er auf seinen Vorträgen das richtige Image präsentieren konnte, änderte er nachträglich seine eigene Auffassung von Star Trek. Was als einstündige Abenteuerserie mit wöchentlich wechselnder Kulisse im Science-Fiction-Gewand anfing - im bereits erwähnten Memo STAR TREK is... heißt es außerdem lapidar, dass die Serie einfach nur weit genug in der Zukunft spielen muss, damit das Publikum jegliche technische Neuerung als gegeben hinnimmt, ohne dass man wissenschaftliche Erklärungen liefern muss -, wurde nun zur ethik- und forschungsgetriebenen Utopie hochstilisiert.

Star Trek war urplötzlich eine Philosophie, das Ziel einer Zivilisation, der Gipfel der menschlichen Entwicklung. Das steckte im Kern zwar schon immer in der Serie, passt aber bei näherer Betrachtung nur bedingt zu der lockeren Truppe rund um Captain Kirk.

Doch diesen Widerspruch ignorierte Roddenberry, während ihm sein junges, universitäres Publikum an den Lippen hing und ihm das Honorar der Veranstalter ein gutes Auskommen ermöglichte. Aus einem kreativen Fernsehschaffenden war auf diese Weise ein Futurist und Selfmade-Guru entstanden - und dieses Image galt es, fortan zu kultivieren.

Roddenberry 13: Esoteriker (Star Trek: The Motion Picture)

Wer sich in den 70er-Jahren unter Studierenden und anderen Freigeistern bewegte, der konnte sich schlecht einer ganz besonderen Strömung der damaligen Zeit entziehen: dem Mystizismus des New Age.

The Questor Tapes, die Ursprünge des Androiden Data Quelle: Kino Lorber The Questor Tapes, die Ursprünge des Androiden Data Hier trafen futuristische Gedanken auf pseudowissenschaftliche Psychologie, hier ging es um Weiterentwicklung der menschlichen Seele bis hin zur Transzendenz und Reinkarnation, hier wurden bewusstseinsverändernde Substanzen geschluckt und freie Liebe gepredigt - zwei Dinge, mit denen Roddenberry ohnehin eine Menge anfangen konnte. Und so nahm ein gutes Quäntchen Esoterik seinen Einfluss auf Roddenberrys Werke zu dieser Zeit.

Nirgendwo deutlicher wird das als in dem einzigen Star-Trek-Roman, den der Schöpfer jemals selbst schrieb, der Roman zum ersten Kinofilm. In diesem Streifen geht es ohnehin schon um "technology run amok", um Raumsonden, die sich ins Unfassbare weiterentwickeln, um die einem Zeugungsakt gleichkommende Verschmelzung von Mensch und Maschine, um den Vorstoß in unerklärte neue Bewusstseinsebenen. Roddenberrys Roman gibt all diesem Hokuspokus Worte und verquickt ihn mit den vorhandenen Leidenschaften des Gene.

Im Vorwort skizziert er eine Föderation, wie sie in den späteren Serien nie zu sehen war: eine telepathisch begabte Menschheit, die sich nur noch der Philosophie und Kultur widmet, die von allen Anstrengungen des Lebens entrückt ist und ausschließlich hedonistisch agiert oder eben große Gedanken denkt.

Leute wie Kirk, die auf Raumschiffen der Sternenflotte durchs All düsen, sind in diesem Szenario die Rückständigen, die noch malochen, Abenteuer erleben und forschen wollen und die deswegen die Erde mit ihren sogenannten "New Humans" hinter sich gelassen haben.

Sie funken auch nicht mehr per Kommunikator, sondern haben Gedankenübertragungschips im Kopf eingepflanzt. Viel mehr als im eigentlichen Film ist bei V'Gers abschließender Himmelfahrt die Rede von Transzendenz und ungekannten Geistesebenen.

Neben der Esoterik kommt selbstverständlich auch die Roddenberrysche Erotik nicht zu kurz. Als Navigatorin Ilia in Form einer Sonde zurück an Bord der Enterprise geschickt wird, ist im Film nur angedeutet, dass sie nackt ist.

Im Buch zum Film werden die Brüste der Roboterfrau in epischer Breite beschrieben - wie sie aussehen, wie sie wippen, wie Kirk und McCoy ihre Blicke nicht davon abwenden können, wie sich in ihnen lüsterne Gedanken an freie Liebe im Sinne des New Age regen. Ein bemerkenswerter Roman und für mich der Urtext in Sachen Roddenberry-Verständnis.

Roddenberry 14: Im Exil (Star Trek 2 bis 4)

Doch weil Roddenberry Anfang der 60er-Jahre bei seiner ersten eigenen Serie The Lieutenant ein genauso unbequemer Charakter war, der Studiobossen und Senderchefs Widerworte gab und seine eigene Vision durchsetzte - haargenau wie bei der Konzeption des ersten Kinofilms - wurde er Paramount langsam unbequem.

Und so schob man trotz guter schwarzer Zahlen die hohen Kosten von Star Trek: The Motion Picture und damit einen angeblichen finanziellen Misserfolg Roddenberry in die Schuhe, um den Querkopf ein für alle Mal loszuwerden und stattdessen jemand Kooperativeres zu installieren.

Gefeuert wurde Gene nicht, er erhielt aber den eigentlich einflusslosen Titel des "Executive Consultant", eine lediglich beratende Funktion. Herrscher im Exil, ein bisschen wie der König von England, der ebenso zwar symbolträchtig ist, aber nicht wirklich regieren kann.

Das Ruder bei Star Trek, das von 1982 bis 1986 ausschließlich ein Kino-Franchise war, bekam nun der Fernsehprofi Harve Bennett in die Hand, mit dem man - kaum zu glauben - sogar Kompromisse schließen konnte.

Doch was Roddenberry nach wie vor hatte, war das Gehör der meisten Star-Trek-Fans. Sie sahen in ihm immer noch den Schöpfer und den Chef, Mr. Star Trek Himself, den großen Vogel der Galaxis eben.

Spock und Kirk in Star Trek: The Motion Picture Quelle: Paramount Spock und Kirk in Star Trek: The Motion Picture Diese Gunst machte sich Roddenberry zunutze, indem er weiterhin auf Conventions als das Gesicht des Franchise auftrat und, wo er nur konnte, durchblicken ließ, dass er mit der narrativen Richtung, die die Kinofilme eingeschlagen hatten, nur bedingt einverstanden war.

Außerdem wirkte er auf die Fans anonym ein, indem er die Filme durch Aktionen sabotierte, die man heutzutage als Leaks bezeichnen würde. Er war weder mit dem Tode Spocks im zweiten Kinofilm noch mit der Zerstörung der Enterprise im dritten einverstanden und so ließ er interne Informationen zu diesen schwerwiegenden Handlungselementen an die Öffentlichkeit vordringen.

Sollten daraufhin doch die Fans empört sein und seine Arbeit für ihn tun! Sein großes Ziel, dass er nie erreichte, war es, Harve Bennett als fehlgeleitet zu diskreditieren und gegebenenfalls sich selbst wieder auf den Chefsessel zu bringen.

Wenn das jetzt etwas arg durchtrieben klingt, dann sei noch gesagt, dass es sich hierbei lediglich um einen Teil von Roddenberrys Aktivismus handelte. Seine Rolle als Executive Consultant nahm er durchaus ernst und so schrieb er zur vorletzten Drehbuchversion des dritten Kinofilms ein langes, kommentierendes Memo voller valider und im Detail erklärter Punkte.

Ein faszinierendes Schriftstück, dass ich hier in seiner Gänze nicht wiedergeben kann. Doch zu dem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen Bennett und Roddenberry schon so zerrüttet, dass von den wertvollen Eingaben keine umgesetzt wurden.

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    • Kommentare (4)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von jensmachwitz_88 Anwärter/in
        Also wenn mal Artikel erscheinen die mit Games nix zu tun haben aber durchaus gelungen und lesenswert sind, dann ganz genau dann sind es diese schönen Star-Trek-Perlen. Ist aber leider eine absolute Ausnahme hier. Die reißerischen Kino-Artikel sind ja wirklich unterirdisch...
      • Von jensmachwitz_88 Anwärter/in
        Also wenn mal Artikel erscheinen die mit Games nix zu tun haben aber durchaus gelungen und lesenswert sind, dann ganz genau dann sind es diese schönen Star-Trek-Perlen. Ist aber leider eine absolute Ausnahme hier. Die reißerischen Kino-Artikel sind ja wirklich unterirdisch...
      • Von Falconer75 Hobby-Spieler/in
        Eine absolute Perle, dieses zweiteilige Special. Unglaublich kompetent und gut geschrieben. Großartig.
      • Von Loosa Senior Community Officer
        Da fällt mir ein grandioser Strip von The Oatmeal ein. Was eine Persönlichkeit!
        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
      • Von 08-of-15 Anfänger/in
        Ein sehr erhellender und vor allem informativer Beitrag.
        Gene Roddenberry als Mensch scheint zum Teil auch wieder einmal ein Argument für die Trennung zwischen Kunst und Künstler zu sein.
      Direkt zum Diskussionsende
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