Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek, Teil 2: Von den wilden 70ern bis zu seinem Vermächtnis

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Special Sebastian Göttling - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek, Teil 2: Von den wilden 70ern bis zu seinem Vermächtnis
Quelle: Paramount

Gene Roddenberry war mehr als nur der Erfinder von Star Trek. Im zweiten Teil unseres Blicks auf sein Leben widmen wir uns unter anderem seinem bleibenden Einfluss.

Jeder der Kinofilme spielte okayes bis hervorragendes Geld ein, und selbst 17 Jahre nach der Absetzung der Originalserie waren deren Wiederholungen in Dauerschleife immer noch die größte Cashcow auf dem Zweitverwertungsmarkt. Für Mancuso Sr. und viele andere stand fest: Star Trek musste wieder zurück ins Fernsehen kommen.

Doch weil die Gagenforderungen alter Recken wie Shatner und Nimoy mittlerweile viel zu hoch waren, sollte es eine neue Serie werden - in einem neuen Jahrhundert mit neuen Charakteren und somit auch neuen und günstigeren Schauspielern. Mancuso Sr. wusste als verkappter Fan auch darum, dass Star Trek untrennbar mit dem Namen Gene Roddenberry verbunden war.

Wenn man die Fans bei einem solchen radikalen neuen Schritt mit an Bord haben wollte, dann würde dies viel verdaulicher gelingen, wenn Schöpfer Gene Roddenberry nicht bloß ein quasi-machtloser Executive Consultant wäre, sondern stattdessen kreativer Kopf der Serie.

Roddenberry hatte zunächst keinerlei Ambitionen, das Rad neu zu erfinden und winkte ab, woraufhin Mancuso bewusst ein Serienkonzept schrieben ließ, das Story-technisch über Tische und Bänke und generell auf keine Kuhhaut ging.

Über Umwege spielte man das wirre Traktat Gene Roddenberry zu und er reagierte wie erhofft: Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und heuerte schnellstens als Showrunner der Next Generation an, um einen Schmarrn zu verhindern, der eigentlich nie geplant gewesen war.

In seinem Roman zum Film findet Gene Roddenberry unbeschreibliche Worte für Roboterfrau Ilia. Quelle: Paramount In seinem Roman zum Film findet Gene Roddenberry unbeschreibliche Worte für Roboterfrau Ilia. Doch Roddenberrys eigenes Geschäftsmodell hatte sich bekanntermaßen mittlerweile geändert; er predigte als Visionär von einer utopischen Zukunft und einer besseren Menschheit. Dem so erzielten Einkommen der letzten Jahre konnte er jetzt nicht das Wasser abgraben, weswegen er kurzerhand seine noch frische Roddenberry-Philosophie auch fürs Fernsehen passend revidierte:

Die Menschheit in der neuen Serie konnte nicht mehr aus deftigen Haudegen à la Kirk bestehen, auch Konflikte innerhalb der Besatzung waren streng verboten. So weit ging Roddenberrys Bild von einer vollkommenen Menschheit, dass er selbst die Anstellung von Patrick Stewart als Captain Picard verhindern wollte, mit der Begründung, dass es in seiner perfekten Zukunft keinen Haarausfall mehr geben würde.

Dieses Festhalten an seiner in den 70er-Jahren gefundenen Neuausrichtung ließ dem Autorenteam der Next Generation regelmäßig die Haare zu Berge stehen, denn wer Geschichten erzählen möchte, der braucht Konfliktpotenzial zwischen den Charakteren.

Doch wenn selbiges ein No-Go ist und jeglicher antagonistischer Antrieb ausschließlich von fremden Planeten an die Harmonie der Enterprise herangetragen werden kann, sind die schreiberischen Möglichkeiten doch arg eingeschränkt.

Es entstand die sogenannte und bald schon verhasste Roddenberry-Box, in der alles perfekt-perfekt-perfekt ist. Das war im Jahr 1987 der Preis dafür, den großen Namen auf das neue Produkt schreiben zu können. Gene Roddenberry war back in business.

Roddenberry 16: König Théoden (Next Generation Staffel 1-2 vs. 3-5)

Doch von Tag 1 der Next Generation an war Gene Roddenberry aus den bereits genannten Gründen gesundheitlich angeschlagen und somit nicht mehr auf der vollen Höhe seiner Kräfte. Körperlich war er zwar beeinträchtigter als geistig, aber dennoch nutzte sein langjähriger Anwalt Leonard Maizlish diesen Kräfteverlust schamlos aus.

Herr-der-Ringe-Fans mögen mir den Vergleich verzeihen, aber der Advokat wurde zum Grima Schlangenzunge zu Roddenberrys König Théoden. Er spielte mit dem leitenden Autorenteam der Next Generation im Namen seines Mandanten Machtspielchen, säte Zwietracht zwischen Freunden, drang heimlich in deren Büros ein und legte selbst Hand an bei den Drehbüchern, was ein eindeutiger Verstoß gegen die Autorengewerkschafts- und auch sonstige Gesetze darstellte.

Wie es leider so oft bei Machtmissbrauch ist, stellte Roddenberry selbst das größte Opfer dar, denn er wurde von seinem Anwalt isoliert vor allen Leuten, die ihm hätten helfen können.

So schlimm trieb Maizlish es, dass der Tribbles-Erfinder David Gerrold ihn bis heute, Jahrzehnte nach Maizlishs Tod, als "wandelnde Achselhöhle" bezeichnet oder aber auch bereits zu Protokoll gab, wenn Maizlish jemals einen Gehirntumor bekäme, dann täte es ihm leid für den Tumor.

Als Maizlish schließlich aufhörte zu agieren - was auch immer die Beweggründe waren, der Grund dafür ist bis heute reine Spekulation -, war Roddenberry leider nur noch zwei Jahre von seinem Tod entfernt und ein Schatten seiner selbst.

Bei der Next Generation ist Roddenberry zurück am Steuer. Quelle: Paramount Bei der Next Generation ist Roddenberry zurück am Steuer. Die Vertretung, also den Puffer zwischen Roddenberry und dem Next-Generation-Autorenzimmer, übernahm daraufhin der deutlich gutmütigere Rick Berman, den Roddenberry 1987 als Nachfolger und zukünftigen Chef von Star Trek installiert hatte.

Wann immer Roddenberry in einem Story-Meeting über die Stränge schlug und eine eigentlich gute Story verhindern wollte - oder aber auch anreichern wollte durch oftmals merkwürdig sexuell konnotierte Inhalte, die wohl seiner zunehmenden Senilität geschuldet waren -, bekam der betreffende Autor von Berman gesagt: "Gene ist müde, geh mal vor die Tür, ich kläre das kurz mit ihm." Anschließend hieß die Devise dann meistens: Ignorieren, was Gene gesagt hat, und so schreiben, wie man es vorhatte.

Nach Gene Roddenberrys Tod sah es Franchise-Lenker Rick Berman, aber auch Autorenzimmer-Vorsitzender Michael Piller, als ihre Aufgabe, die Friede-Freude-Eierkuchen-Vorgaben, die sie von Roddenberry geerbt hatten, nicht über Bord zu werfen, auch wenn sie tatsächlich ihren eigenen Vorstellungen von filmischem Schreiben widersprachen, sondern sie zu bewahren, sie zu respektieren, innerhalb dieser klar gesetzten Grenzen Geschichten zu schreiben - und diese Grenzen nur ganz behutsam zu dehnen oder gar zu öffnen. So fand Roddenberry nach seinem Tode treuere Stellvertreter, als er sie in Maizlish zuletzt zu Lebzeiten gehabt hatte.

Roddenberry 17: Totschlagargument (Posthum)

Anderthalb Monate nach Gene Roddenberrys Tod kam Star Trek 6: Das unentdeckte Land in die Kinos. Ein Film, der düsterer und militaristischer daherkam als bisheriges Star Trek, auch wenn er am Ende im Frieden mit den Klingonen mündete. Wiederum ein gutes Jahr später startete die nächste Spin-off-Serie Star Trek: Deep Space Nine, eine abermals realistischere, dreckigere und konfliktgeladenere Erzählung.

    • Kommentare (4)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von jensmachwitz_88 Anwärter/in
        Also wenn mal Artikel erscheinen die mit Games nix zu tun haben aber durchaus gelungen und lesenswert sind, dann ganz genau dann sind es diese schönen Star-Trek-Perlen. Ist aber leider eine absolute Ausnahme hier. Die reißerischen Kino-Artikel sind ja wirklich unterirdisch...
      • Von jensmachwitz_88 Anwärter/in
        Also wenn mal Artikel erscheinen die mit Games nix zu tun haben aber durchaus gelungen und lesenswert sind, dann ganz genau dann sind es diese schönen Star-Trek-Perlen. Ist aber leider eine absolute Ausnahme hier. Die reißerischen Kino-Artikel sind ja wirklich unterirdisch...
      • Von Falconer75 Hobby-Spieler/in
        Eine absolute Perle, dieses zweiteilige Special. Unglaublich kompetent und gut geschrieben. Großartig.
      • Von Loosa Senior Community Officer
        Da fällt mir ein grandioser Strip von The Oatmeal ein. Was eine Persönlichkeit!
        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
      • Von 08-of-15 Anfänger/in
        Ein sehr erhellender und vor allem informativer Beitrag.
        Gene Roddenberry als Mensch scheint zum Teil auch wieder einmal ein Argument für die Trennung zwischen Kunst und Künstler zu sein.
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