Utopie, Zoff & Teerpfützen: Die erste Staffel von Star Trek The Next Generation

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Special Sebastian Göttling - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Utopie, Zoff & Teerpfützen: Die erste Staffel von Star Trek The Next Generation
Quelle: Paramount Pictures

In Teil 4 unserer Star Trek-Retrospektive wechseln wir vom Kino ins Fernsehen: Sebastian Göttling widmet sich Staffel 1 von Star Trek: The Next Generation!

Leider erhitzte diese Idee die Gemüter hinter den Kulissen; Memos wurden hin und her geschrieben, in denen man sich fragte, ob die Mütter Amerikas wohl Protestbriefe schreiben würden, wenn es Schwule bei Star Trek zu sehen gibt. All das führte dazu, dass die Episode kurzerhand unter den Tisch fallen gelassen wurde. David Gerrold sah nun gar keine Möglichkeit mehr, sozialkritische Star-Trek-Geschichten wie in den Sechzigern zu erzählen, und kündigte daraufhin. Seine beiden Mitstreiter Fontana und Justman, ebenfalls aus den unterschiedlichsten Gründen frustriert, taten es ihm gleich.

Doch auch ohne das Zutun Maizlishs gab sich Gene Roddenberry merkwürdig, denn er war zunehmend gezeichnet von jahrzehntelangem Substanzmissbrauch und zahlreichen kleinen Schlaganfällen, die er weitestgehend geheim hielt. In Pitch-Meetings sagte er sehr oft "oh, das gefällt mir aber wirklich gut" - nur um am nächsten Tag alles völlig umgeschrieben zu haben. In etwa die ersten 15 Folgen tragen alle seine Handschrift und haben vergleichsweise wenig mit dem zu tun, was die ursprünglichen Autorinnen und Autoren mit ihnen beabsichtigten. Meetings mit Roddenberry wurden zunehmend surrealer: Jungautor Tracy Tormé sprach mit dem Chef unter vier Augen über "Genius Is Pain", eine ebenfalls nicht verwirklichte Geschichte, was Roddenberry zu einem langen und zusammenhangslosen Monolog veranlasste, in dem er beschrieb, was Schmerz und Genuss für ihn darstellten.

Dieses Meeting gipfelte in einem fast schon pornografischen Ausruf des Roddenberry, den ich hier nicht wiederholen kann, aber auf Anfrage gerne verrate. Als Jahrzehnte später eine Dokumentation über die frühen Jahre der Next Generation herauskam, trug diese nicht ohne Grund den Titel "Chaos on the Bridge".

Am 28. September 1987 feierte die Serie schließlich ihre strahlende US-Fernsehpremiere und ließ nichts ahnen von den Turbulenzen hinter den Kulissen. Die Einschaltquoten waren bombastisch, die Geschichte vielleicht ein wenig steif, aber doch im Kern sehr star-trekkig - nur sollte manch sturer Alt-Fan Jahre brauchen, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass Kirk und Spock nicht mehr Teil des neuen Fernseh-Star-Trek waren.

Eigentlich war er als kleiner Nebencharakter geplant, doch Michael Dorns klingonischer "Marine" Worf überzeugte auf Anhieb. Quelle: Paramount Pictures Eigentlich war er als kleiner Nebencharakter geplant, doch Michael Dorns klingonischer "Marine" Worf überzeugte auf Anhieb. Das Feuilleton fand derweil die neue Enterprise toll, sah aber ähnlich wie David Gerrold keinen sozialkritischen Bezug zum aktuellen Leben in den Achtzigerjahren, sondern fand die Serie einigermaßen aus der Zeit gefallen. Kein Kirk, kein Spock, aber trotzdem irgendwie Sechziger.

Nur wenige Monate später, bereits im Januar 1988, hatte "Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert" seine Deutschlandpremiere. Allerdings musste man dafür in die Videothek gehen, denn die doppelt lange Pilotfolge sowie weitere sechs Kassetten mit einem Dutzend der nächsten Folgen aus der ersten Staffel wurden von CIC ausschließlich auf VHS-Kassette veröffentlicht - mit einer fantastisch rumpeligen Märchen-Synchronisation, die diese frühe Videoveröffentlichung nicht überleben sollte.

Der Klappentext der allerersten Videokassette ist wunderbar reißerisch, spricht von der "hellseherischen Deanna" und dem "dämonischen Q", ist aber teilweise auch völlig sinnbefreit, wenn es zum Beispiel heißt, dass "vom höchstgelegenen Planeten" Hilfe geholt werden soll.

Weitere zweieinhalb Jahre dauerte es im Anschluss noch, bis am 7. September 1990 endlich die deutsche Fernsehpremiere der Serie im ZDF stattfand. Jedoch ohne mich, denn ich fand "Raumschiff Enterprise" damals grundsätzlich doof. Der Grund: Sechs Monate zuvor, im März 1990, hatte SAT.1 die Star-Wars-Urtrilogie in deutscher Erstausstrahlung gezeigt und mich in den Bann der Jedi-Ritter gezogen.

Weil ich zu dem Zeitpunkt elf Jahre alt und reichlich kindlich unterwegs war, unterwarf ich mich dem sinnbefreiten Dogma, dass man entweder Star Wars oder Star Trek mag, aber auf keinen Fall beides. Wovon man auch immer Fan war, das jeweils andere galt es, abzulehnen. Man sehe es mir nach, ich habe mich seitdem gebessert.

Doch auch meine anderen Freunde hatten kuriose Berührungsängste. So kann mein Studienkollege Gerrit beispielsweise keine Quallen ausstehen und war deswegen zwar schon beim Pilotfilm am Start, jedoch reichlich angeekelt von der majestätischen Weltraumkreatur am Ende.

Und auch Spoilerboy Thorsten, bekannt aus meinen Filmartikeln, fand mit elf Jahren Romantik und Rumgeknutsche reichlich blöd, machte deswegen vorerst einen großen Bogen um die Serie, als er in eine Szene hereinzappte, in der sich Deanna Troi und Will Riker gerade näherkommen - wahrscheinlich in der Episode "Haven" (Die Frau seiner Träume).

Im November 1990 dann, es war eine Kunststunde, in der es wie gewöhnlich drunter und drüber ging, unternahm mein Klassenkamerad Jens einen tapferen Versuch, mich von der neuen Science-Fiction-Serie zu überzeugen.

Er erzählte mir die erste große Holodeck-Episode "The Big Goodbye" (Der große Abschied) nach, in der sich Captain Picard erstmals als Film-Noir-Detektiv Dixon Hill betätigt. Das Problem war nur, dass Jens alles andere als ein fesselnder Erzähler war und die Episodenhandlung 45 Minuten lang in quälender Echtzeit wiedergab. Was ich hörte, klang mehr nach gepflegter Langeweile als nach Abenteuern im All. Nein, so einfach war ich nicht zu bekommen.

    • Kommentare (20)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von aga74 Stille/r Leser/in
        Schöner Artikel!

        Ich habe TNG, DS9 und Voyager dieses Jahr erst noch mal durch-gesuchtet...und muss sagen die Geschichten haben nix an ihrer Aktualität eingebüßt. Effekte sind vielleicht etwas angestaubt, aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. SciFi mit Moral - das gibt's eigentlich nur bei Star Trek. Da kam für mich eigentlich nur noch Babylon 5 ran...

        Und was die neuen Serien angeht, da halt ich mich an den Kodex von Star Trek: Toleranz! Ich mag die eigentlich alle. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ganz vorn natürlich "Picard". Die letzte Staffel war der Hammer - und Fanservice pur.
        Ich kenne das TNG Team auch persönlich von diversen Conventions, und es ist unglaublich wie dicke die noch alle miteinander sind. Diese "Familie" die ja viele Serien-Casts für sich propagieren ist bei der Crew von TNG absolut real. Immer wieder schön wenn ich der quirligen Sirtis's Geschichten von "old boldy" lauschen darf. :D Durch dieses Wissen um diesen Zusammenhalt der Schauspieler macht das Schauen der alten und neuen Folgen nochmal extra viel Freude.
      • Von aga74 Stille/r Leser/in
        Schöner Artikel!

        Ich habe TNG, DS9 und Voyager dieses Jahr erst noch mal durch-gesuchtet...und muss sagen die Geschichten haben nix an ihrer Aktualität eingebüßt. Effekte sind vielleicht etwas angestaubt, aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. SciFi mit Moral - das gibt's eigentlich nur bei Star Trek. Da kam für mich eigentlich nur noch Babylon 5 ran...

        Und was die neuen Serien angeht, da halt ich mich an den Kodex von Star Trek: Toleranz! Ich mag die eigentlich alle. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ganz vorn natürlich "Picard". Die letzte Staffel war der Hammer - und Fanservice pur.
        Ich kenne das TNG Team auch persönlich von diversen Conventions, und es ist unglaublich wie dicke die noch alle miteinander sind. Diese "Familie" die ja viele Serien-Casts für sich propagieren ist bei der Crew von TNG absolut real. Immer wieder schön wenn ich der quirligen Sirtis's Geschichten von "old boldy" lauschen darf. :D Durch dieses Wissen um diesen Zusammenhalt der Schauspieler macht das Schauen der alten und neuen Folgen nochmal extra viel Freude.
      • Von Nevrion Spiele-Enthusiast/in
        Hab die Serie zwar als Kind sicher mitbekommen, ich denke sogar auf SAT1, aber ich sehe mich nicht als Star Trek Fan. Hängen geblieben ist davon vor allem die deutsche Neusynch einzelner Episoden, die als "sinnlos im Weltraum" bekannt wurden. Ist für mich immer untrennbar mit Picard und Co verbunden und so gesehen, kann ich Ryker ("Meint der mich wenn er Ryker sagt?") und Co heute auch nicht mehr ernst nehmen, weil immer dass Abbild von "Sinnlos im Weltraum" durch meinen Kopf schwirrt.
      • Von ZAM Spiele-Kenner/in
        Wie immer, schöner Artikel Herr Filmeonkel. ^^

        ENT, TOS, TNG, DS9 und VOY sind der einzige Grund, warum ich Netflix noch habe. Wenn es da weg ist, darf P+ gern mal zeigen, was es so hat. ^^
      • Von fud1974 Spiele-Kenner/in
        Zitat von Neawoulf
        Und generell mochte ich den Optimismus bzgl. der Zukunft der Menschheit in der Serie. Das vermisse ich sehr an neueren (nicht nur) Star Trek Serien und Filmen und ich gehe davon aus, dass man das nicht mehr macht, weil es sich nicht so gut verkauft, weil es nicht zum aktuellen "Zeitgeist" passt.

        Aber ich glaube die Menschheit braucht in einer Zeit der Krisen, wie z. B. der zurückliegenden Corona Pandemie, der Aggression der russischen Regierung und der generellen Unzufriedenheit und Wut vieler Leute, wieder optimistischere Zukunftsvisionen, selbst wenn sowas anfangs evtl. nicht so viele Zuschauer anlockt, wie düsterere Geschichten.
        Ach, nun ja, noch ist nicht alle Hoffnung verloren was das angeht (passt ja.. :P)

        Tatsächlich war in den letzten Jahren eher "dirty" und "dark" in, aber das ist halt auch immer ein Zeitgeist - Ding. Einige hat das naiv-zukunftsfreudige "wir sind die guten" Szenario von solchen Serien (egal ob TV oder anderweitig) halt immer auch gestört... Wir träumten als Teenager in den Endachzigern frühen Neunzigern eher davon, dass mal so richtig der (Cyber)punk abgeht, und nicht Leute in schnieken Uniformen was von Werten faseln... :P

        Zumindest meine Fraktion war so, aber wie man sieht gab und gibt es da Unterschiede.

        Aber wie gesagt, gibt auch Entwicklungen wieder zurück in die zukunftsfreudige Ecke, und das ist ja auch gut so, zumindest im Brettspielbereich.

        Stichwort: "Hopepunk"

        Nein, das habe ich jetzt nicht erfunden.

        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Zitat von MrFob
        Also ich schau ja auch gerade wieder immer mal hier und da ne Folge. Bin in Staffel 4 und habe natuerlich (wie fast immer) die gegenteilige Meinung zu [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen] . :-D

        So viele gute Folgen! Data's Day, eine etwas leichtere Episode und wahrscheinlich eine meiner Lieblings ST Folgen ueberhaupt, The Drummhead mit Picard's bekannter Ansprache: "with the first link, the chain is forged" (auch heute noch sehr relevant die Folge, vor allem Picards Schlussgespraech mit Worf). The Wounded, wo wir zum ersten mal die Cardassianer kennenlernen. The Mind's Eye, in der die Romulaner nochmal so richtig fies sein duerfen und dann der ganze Klingonen-Arc, der sich ueber 2 Staffeln aufbaut um dann im Finale von Staffel 4 einen Hoehepunkt erlangt.

        Die ersten beiden Staffeln, ja ok, hatten mehr Tief- als Hoehepunkte, das ist richtig aber TNG als Ganzes ist einfach peak Trek.

        Das waren halt mal richtig gute Drehbuecher und exzellent gespielt. Da konnte mMn Voyager nie so recht mithalten. Aber so hat eben jeder seine Vorlieben und das ist ja auch ok so. ;)
        Niemand muss meine Meinung teilen, ist auch vollkommen okay. Genauso hinsichtlich Voyager. ;-)

        Die damals noch leicht vorhandene Faszination von TNG verspüre ich heute einfach nicht mehr, was mitunter auch daran liegt dass TOS die eigentliche Serie meiner Kindheit war. Ohne die Beliebheit von Picard und Co. runtermachen zu wollen, aber die Kirk-Crew als Ganzes funktionierte einfach perfekt. TNG war da mit Crusher und teilweise mit Troi hingegen ein wenig "bestraft". ^^
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