Moralische Entscheidungen in Spielen: Wie Games Konflikte in uns triggern

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Special Olaf Bleich - Autor Benedikt Plass-Fleßenkämper - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Moralische Entscheidungen in Spielen: Wie Games Konflikte in uns triggern
Quelle: 2K Games

Leben oder Tod? Gut oder böse? Computer- und Videospiele stellen ihre Konsumenten immer wieder vor schwierige Entscheidungen. Doch wie viel Moral steckt wirklich in den Spielen? Und wie viel Moral macht Spaß?

Habt ihr in Fallout 3 auch Megaton mit einer Atombombe dem Erdboden gleichgemacht? Habt ihr in Heavy Rain den Drogendealer Dan Silver erschossen, um Ethans Sohn zu schützen? Und habt ihr in Die Sims einen eurer Schützlinge in einen Swimmingpool gesperrt und zugesehen, wie er langsam den Verstand verliert?

Immer wieder stellen uns Spiele vor Entscheidungen, die unseren moralischen Kompass auf die Probe stellen. Aber das Jonglieren mit Ethik und Moral geht noch viel weiter. Es geht nicht nur um "Schwarz" oder "Weiß". Denn Moral hat viele Grauzonen - genau wie das Leben. Und so komplex Computer- und Videospiele in den letzten Jahrzehnten geworden sind, so vielfältig ist auch das Spiel mit der Moral.

Was bedeutet Moral in Spielen?

Bevor wir uns jedoch der Moral beziehungsweise der Ethik in Spielen widmen, müssen wir uns zunächst einmal das Medium selbst etwas genauer ansehen. Im Vergleich zu beispielsweise Büchern oder Filmen gibt es entscheidende Unterschiede. Zum einen nehmen wir in Games eine aktive Rolle ein.

Fallout 3 Quelle: Bethesda Fallout 3 Wir konsumieren also nicht nur, sondern agieren und reagieren direkt auf das Geschehen. Wie in den eingangs erwähnten Beispielen nehmen wir also sehr schnell eine aktive Position ein und werden durch die zugrundeliegende Story oder das Gameplay selbst zum Handeln gezwungen. Außerdem sehen wir das Geschehen aus einer anderen Perspektive.

Damit meinen wir nicht die Ego-Ansicht oder die Verfolgerkamera. Viel wichtiger ist, dass wir uns in vielen Spielen mithilfe eines Editors einen eigenen Avatar erschaffen und damit einen Stellvertreter in die virtuelle Welt schicken.

Spiele und moralische Fragen können in Games auf unterschiedliche Weise miteinander verknüpft werden. Im Sammelband Computerspielforschung: Interdisziplinäre Einblicke in das digitale Spiel und seine kulturelle Bedeutung unterteilt Autor Samuel Ulbricht diese in vier Gattungen: In "neutralen" Titeln spielen moralische Fragen keine Rolle.

Dies können beispielsweise Titel wie Tetris oder Mario Kart sein, aber auch Uncharted, Tekken oder Counter-Strike. In diesen wird Ethik schlicht gar nicht erst thematisiert.

In "simulierenden" Spielen wird Moral etwa durch die Darstellung von Reue aufgeladen oder in Entscheidungsmöglichkeiten wie in Mass Effect oder The Walking Dead thematisiert. Ulbricht fasst zusammen: "Simulierende Spiele verhandeln moralische Fragen innerhalb ihrer Narration beziehungsweise Spielmechanik."

Demgegenüber stehen Titel, die moralische Fragen "propagieren". Ulbricht erläutert die Problematik: "Beispiele hierfür sind RapeLay oder KZ-Manager, die eine Haltung zu moralischen Problembereichen der Wirklichkeit vertreten und nach außen für sie werben. (...) Propagierende Spiele beantworten moralische Fragen (meist falsch)."

Die vierte Variante sind "konfrontierende" Spiele. Ulbricht nennt hier The Last of Us Part 2 und Grand Theft Auto 5 als Beispiele. Es geht also um die Darstellung und Ausführung unmoralischer Aktionen im Spiel, aber auch um das Hinterfragen und Verarbeiten dieser Elemente. Der Begriff "unmoralische Aktion" impliziert übrigens nicht nur das Töten von NPCs, sondern kann auch Tabubrüche wie Diebstahl oder Einbruch bedeuten.

The Last of Us 2 Quelle: Sony  The Last of Us 2 Warum uns Entscheidungen in Spielen berühren und zum Nachdenken anregen? Weil wir uns mit unserem Avatar identifizieren und nur allzu gerne unsere eigenen moralischen Vorstellungen in ihn hineinprojizieren.

Und genau an diesem Punkt kollidieren die eigenen Wertvorstellungen immer wieder mit den Möglichkeiten des Spiels. Denn gerade, wenn Entscheidungsoptionen zu eindimensional ausfallen, kann dies schnell zum Motivationsdämpfer werden.

Mehr als gut oder böse?

Moral- und Entscheidungssysteme treten in Computer- und Videospielen in verschiedenen Formen auf. In der vermeintlich einfachsten Variante zeigt uns das Spiel anhand von Statuswerten an, in welche Richtung unsere Entscheidung gegangen ist. Im Actionspiel Infamous: Second Son gibt es beispielsweise das sogenannte Karma-System.

In Momenten der Story oder auch in Nebenmissionen müssen wir uns entscheiden, wie die Hauptfigur Delsin Rowe handeln soll. Die Wahlmöglichkeiten sind mit den Farben Blau und Rot kodiert.

Bildergalerie

Wichtig: Wir müssen nicht nur böse oder nur gut sein, aber unsere Fähigkeiten profitieren ganz klar davon, wenn wir uns für eine Seite entscheiden. Und auch, wenn wir damit bestimmte Momente der Geschichte verändern, dient das Karma-System in erster Linie dem Spielfortschritt. Denn letztlich aktivieren wir damit einzigartige Fähigkeiten, die wir nur als guter oder böser Delsin erhalten.

    • Kommentare (2)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von SethWinterstein Spiele-Enthusiast/in
        Die meisten moralischen Entscheidungen sind ja eher simpel und wie Nevrion sagt, die eine Entscheidung verspricht dabei zumeist auch wirklich nutzen und die andere eher nicht. Wir haben da bspw. sowas wie den Charakter töten oder leben lassen. Leben lassen bedeutet meistens halt Quest, Story, Belohnung, töten bedeutet er ist weg, kurzfristig Erfahrung und Geld aber nicht das wonach man meistens sucht.

        Als Alternative gibt es dann natürlich noch die Entscheidungen die einem dann in den Hintern beißen so als Erinnerung daran wie schlecht die Welt sein jann alá "Du wolltest gut sein aber dann die sind jetzt alle tot! Hättest du mal...".

        Und natürlich ist es allgemein oftmals halt aufgeteilt in zwei Wege, zwei Fraktionen und so weiter. Mit Glück hat man eine dritte Option die dann aber auch zumeist eher in Richtung "ich will mir allem nichts zutun haben" darstellt.

        Insgesamt bin ich in all den Jahren von den moralischen Entscheidungen eher nicht sonderlich angetan gewen.
      • Von SethWinterstein Spiele-Enthusiast/in
        Die meisten moralischen Entscheidungen sind ja eher simpel und wie Nevrion sagt, die eine Entscheidung verspricht dabei zumeist auch wirklich nutzen und die andere eher nicht. Wir haben da bspw. sowas wie den Charakter töten oder leben lassen. Leben lassen bedeutet meistens halt Quest, Story, Belohnung, töten bedeutet er ist weg, kurzfristig Erfahrung und Geld aber nicht das wonach man meistens sucht.

        Als Alternative gibt es dann natürlich noch die Entscheidungen die einem dann in den Hintern beißen so als Erinnerung daran wie schlecht die Welt sein jann alá "Du wolltest gut sein aber dann die sind jetzt alle tot! Hättest du mal...".

        Und natürlich ist es allgemein oftmals halt aufgeteilt in zwei Wege, zwei Fraktionen und so weiter. Mit Glück hat man eine dritte Option die dann aber auch zumeist eher in Richtung "ich will mir allem nichts zutun haben" darstellt.

        Insgesamt bin ich in all den Jahren von den moralischen Entscheidungen eher nicht sonderlich angetan gewen.
      • Von Nevrion Spiele-Enthusiast/in
        Ich mag solche Spiel eigentlich ganz gerne, auch wenn ich selten dazu tendiere absichtlich das moralisch Falsche zu tun. Ob bei Life is Strange oder Mass Effect oder Baldurs Gate (1-3) - im Endeffekt ist in den meisten Spielen die moralisch höchst noble Antwort auch die, die einem später Vorteile im Spiel verspricht. Das macht es dann auch relativ leicht, sich dafür zu entscheiden.
        Natürlich gibt es auch Spiele wie The Last Of Us, wo man als Spieler nicht wirklich vor die Wahl gestellt wird anders zu handeln, sondern eher begleitend und erfassend mitspielt. Das mag auch mal interessant sein, kann aber dann auch darin enden, dass einen das Spiel nicht mehr interessiert, weil sich die Handlung in eine Richtung entwickelt, die nicht mehr gefällt.

        Erstaunlicherweise ist auch so ein Strategiespiel wie Warcraft 2 bei mir auf den moralischen Kompass eingeschlagen, weil hier z.B. die inner-orcischen Konflikte zwischen den Anhängern des ermordeten Blackhands und dem neuen Chief Doomhammer durchaus zum Nachdenken anregen, für welche Seite man eigentlich ist, auch wenn einem das Spiel dahingehend keine große Wahl lässt. So hat z.B. Doomhammers feiger Hinterhalt, der zum Tod Lothars führte, mich in meiner Ansicht zu der Zeit bestärkt, dass die Horde besser mit Blackhand dran gewesen wäre. Und natürlich generell, ist man für die Interessen der Menschen oder für die Orcs?

        Entscheidend ist wohl im Endeffekt nicht die Art des Spiels, sondern die Darstellung der Geschichte und ihrer Protagonisten darin. Natürlich gibt es auch Spiele, die relativ geschmacklos mit bestimmten Themen umgehen, aber letztendlich geht es bei Spielen darum die Emotionen anzusprechen, nicht zu belehren oder zu erziehen. Man will unterhalten werden und das schafft man natürlich auch ohne die Frage eines moralischen Konflikts.
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